'Solange ich lebe, hoffe ich'
Die Aufzeichnungen des ungarischen KZ-Häftlings Ágnes Rózsa 1944/45 in Nürnberg und Holleischen

Erstmals in deutscher Übersetzung liegen die Aufzeichnungen der ungarischen Jüdin Ágnes Rózsa vor, und man darf hoffen, dass dem vom Stadtarchiv Nürnberg verantworteten Band Aufmerksamkeit zukommen wird. Nach ihrer Deportation aus Auschwitz zur Zwangsarbeit nach Nürnberg beginnt Ágnes Rózsa ihre Aufzeichnungen, sie wählt die Form des Briefes an ihren geliebten Mann; ihm berichtet sie im Rückblick von ihrem Überleben in Auschwitz-Birkenau und von den gleichzeitig stattfindenden Erlebnissen in Nürnberg und ab März 1945 in Holleischen. In ihrem ersten Eintrag am Sonntag, den 28. Mai 1944, schreibt sie: 'Ich schreibe absichtlich keine Attribute, nur hastig registriere ich Tatsachen für Dich, damit Du von meinem jetzigen Lebensabschnitt nicht ausgeschlossen bleibst, falls es mir nicht möglich wäre, Dir später persönlich davon zu erzählen' (S. 95).

Hier schreibt eine kluge und gebildete Frau, die noch während des Erlebens versucht, diese Realität, von der sie sich zu distanzieren bemüht ('Körperlich werde ich durchhalten, wenn sie mich am Leben lassen. Die Wirklichkeit hat für mich ihre Wahrhaftigkeit verloren, sie lässt mich kalt', S. 97) sprachlich zu durchdringen, weiß aber, dass es nahezu unmöglich sein wird, bei anderen auf Verständnis zu stoßen: 'Wie könnte ein anderer unsere Qual verstehen, wenn selbst ich hier in Nürnberg meinem Auschwitzer Ich verständnislos gegenüberstehe? Ich bin nicht mehr die Gleiche, die, nachdem sie aus dem Lager zum Misttragen kommandiert worden war, auf dem Feld mit beiden Händen Gras pflückte und es fraß' (S. 100). Ágnes Rózsa schreibt detailliert über die Bedingungen im Lager, über die Beziehungen der Häftlinge untereinander, über ihren Hunger und über ihre Arbeit. Und über ihre wachsende Resignation zu Beginn des Jahres 1945, obwohl immer klarer wird, dass der Krieg bald vorbei sein wird. So notiert sie am 11. Februar 1945: 'Ich weine wieder sehr oft und bin eine unbeholfene Person geworden. Ich kann es aber nicht ändern. Mich verbittert es, dass ich diese neun Monate durchkämpfte, hungerte und jetzt mit 80 Prozent Wahrscheinlichkeit entweder durch eine Bombe oder die Deutschen getötet werde' (S. 230). Aber Ágnes Rózsa hat überlebt.

Der eindrucksvolle Text wird relativ sparsam kommentiert und ist mit ausführlichen Einleitungen versehen. Monika Widermann, die Übersetzerin der Aufzeichnungen, hatte sich selbst für diese Publikation eingesetzt, nachdem sie das 1971 erschienene ungarische Original entdeckt hatte und sie forschte auch nach weiteren Informationen, die sie in der Edition zu einer 'biographischen Skizze' von Ágnes Rózsa nutzt. Magda Watts, ein Mithäftling von Ágnes Rózsa, damals noch ein Kind, hat die Übersetzerin auf den Text aufmerksam gemacht und steuert nun auch den Beitrag 'Meine Erinnerungen und Ágnes Rózsas Buch' zur vorliegenden Publikation bei. Zwei umfangreiche historische Einführungen bieten die notwendigen Hintergrundinformationen. Franz Sz. Horváth schreibt über das Schicksal der ungarischen Juden in Nordsiebenbürgen, ein hierzulande sicherlich eher wenig bekanntes Kapitel der Geschichte des Holocaust. Und Gerhard Jochem, einer der Herausgeber, informiert allgemein über den Einsatz der ungarischen Zwangsarbeiterinnen in Nürnberg.