Jeder kennt sie, die Kondome der Marke 'Fromms'. Doch die Geschichte hinter diesem Namen? Julius Fromm, ein jüdischer Emigrant aus Russland, war der Schöpfer dieses ersten Markenkondoms. Seine Aufstiegs- und Erfolgsgeschichte, wie diese zunächst in NS-Deutschland durch 'Arisierung' ihr jähes Ende fand und sein Betrieb danach in der DDR dem 'Volkseigentum' zugeführt wurde, haben Götz Aly und Michael Sontheimer recherchiert und erzählen sie spannend wie einen Roman. Hierbei geht es ihnen dezidiert darum, diese einzelne Geschichte zu erzählen; eine allgemeine Untersuchung der 'Arisierung' und später der 'Wiedergutmachung' ist nicht intendiert. Götz Aly erläutert, wie er entsprechende Akten im Bundesarchiv eingesehen hat und für sein damaliges Thema als irrelevant zurücklegen musste: 'Die nicht selten abgründigen, immer nur zufällig aufgefundenen Nebengeschichten, die unsere Archivare in ihren auf die Haupt- und Staatsaktionen gerichteten Findbüchern überblenden, machen die Historiographie so liebenswert.' (S. 7). Und eine dieser 'Nebengeschichten' erzählen der Historiker und der Journalist, die vorher unabhängig voneinander auf das Thema gestoßen waren.
Am 4. März 1883 kam Israel Fromm in dem etwa 120 östlich von Posen gelegenen Konin zur Welt, zehn Jahre später emigrierte die siebenköpfige Familie nach Berlin und ließ sich im Scheunenviertel nieder. Nach einiger Zeit wurde aus Israel Julius, dies erschien passender. Nach dem frühen Tod des Vaters musste der 15-jährige Julius für Mutter und Geschwister sorgen, Ende 1906 heiratete er selbst, vier Monate später wurde der erste Sohn geboren.
1914 gründete Julius Fromm seine Firma, die 1916 den Namen 'Fromms Act' bekam. Waren Kondome zuvor beispielsweise aus Schafsdärmen und Fischblasen hergestellt und echte Liebestöter, gelang es Julius Fromm, nahtlose und dünne Kondome aus Ceylongummi herzustellen; und dies gerade in einer Zeit, in der das sehr nötig war: Die Soldaten im Ersten Weltkrieg brauchten Kondome und die Gesellschaft der Weimarer Republik, in der sich eine 'freieres Verhältnis zur körperlichen Liebe Bahn' brach (S. 15), erst recht. 'Fromms Act' war ein Qualitätsprodukt, von den Kunden geschätzt, die Firma wuchs rasant. 1919 konnte Julius Fromm bereits eine Villa für 95.000 Reichsmark erwerben. 1920 erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft. 1922 kaufte Fromm ein größeres Gewerbegrundstück. So ging die Erfolgsgeschichte weiter, die Produktion wurde kontinuierlich ausgebaut.
Und dann bekam Hermann Görings Patentante die Firma 'Fromms Act'. Julius Fromm hatte seit 1933 stets versucht, seine Firma vor Repressionen zu schützen. Beide von ihm eingesetzte Direktoren waren Mitglieder der NSDAP, in einem der beiden Kantinenräume hingen eine Hakenkreuzfahne und ein Bild des 'Führers'. Fromm bewarb seine Produkte als 'Rein deutsches Edel-Erzeugnis'. Genutzt hat dies alles freilich nichts ' 1938 bekam Baronin Elisabeth von Epenstein-Mauternburg die Firma zugesprochen ' und Göring erhielt im Gegenzug von ihr zwei mittelalterliche Burgen geschenkt.
Julius Fromm verließ Deutschland im Oktober 1938 als 55-Jähriger. Er fuhr mit seiner Frau zuerst nach Paris, einige Wochen später nach London. Haarklein errechnen die Autoren die Arisierungsgewinne und stellen fest: 'Julius Fromm war unter die Räuber gefallen. Doch fiel er nicht einem Haufen von Banditen anheim, sondern einem Staat und dessen Bürgern. Gleichgültig, ob sie Nazis waren oder nicht, nutzten Millionen Deutsche die günstige Gelegenheit. Nach den Prinzipien sozialer Partizipation verwandelten sich Mitläufer in Mitnehmer. Die ursprünglich ideologisch gebundene Bewegung fusionierte mit dem materiellen Interesse. ' Statt zum Rummel oder Schlussverkauf zog man gemeinsam und erartungsfroh zur Judenauktion.' (S. 155f.).
Ende März 1946 wurde die Firma unter Zwangsverwaltung gestellt und drei Jahre später 'zugunsten des DDR-Volkes sozialisiert' (S. 186). Das hat Julius Fromm nicht mehr erlebt: Der Firmengründer starb am 12. Mai 1945: 'Julius Fromms Herz versagte, so heißt es in der Familie, weil er sich über den Untergang der Nazis und auf die Rückkehr nach Deutschland so sehr gefreut hatte.' (S. 191).