Handlungsorientierter Geschichtsunterricht
Theorie, Praxis, Empirie

Ursache-Folgen-Schemata der Bauernkriege, Quellenkunde zu den Karlsbader Beschlüssen, Verfassungstheorie am Beispiel von 1871 ' viele Gegenstände und Methoden des Geschichtsunterrichts führen auf Schülerseite, insbesondere in der Mittelstufe, zu verstohlenem Gähnen oder offener Ablehnung. Ursachen und Lösungen in Gestalt offenerer Unterrichtskonzepte werden von der Fachdidaktik seit langem diskutiert, ebenso unterstreichen jüngere Studien der Sozialisations- und Kognitionsforschung die Notwendigkeit alternativer Lehrmethoden.
Unter Rückgriff auf die psychologischen Ansätze Deweys, Piagets und Aeblis sowie motiviert durch eigene Lehrerfahrungen im bayerischen Schulsystem plädiert Elke Mahler in ihrer Dissertation für mehr handlungsorientierten Unterricht, um Jugendliche 'besser auf die neuen gesellschaftlichen Anforderungen [vorzubereiten] und in bezug auf das historische Lernen ein vertieftes Geschichtsbewusstsein' (S. 377) zu erzeugen. Gemäß dem Untertitel wird mit der Studie angestrebt, das Konzept dieser Unterrichtsform theoretisch darzulegen, zweitens seine Praktikabilität anhand eines Modellversuchs zu demonstrieren und schließlich die Erwartungen an bzw. Erfahrungen mit Projektunterricht seitens der Beteiligten zu erheben. Entsprechend gliedert Mahler ihre Untersuchung in drei Abschnitte, deren umfassendster sich dem 'SiGeNa' widmet, einem Ausstellungsprojekt zur Geschichte des mittelalterlichen und industrialisierten Nürnbergs, an dem 22 Klassen aus vorwiegend Grundschulen und Gymnasien teilgenommen haben.   
Der theoretische Teil, in dem die Genese der Lehr-Lernforschung nachvollziehbar referiert und die Überwindung einer rein kognitiv ausgerichteten Didaktik legitimiert wird, enthält keine eigene Definition von Handlungsorientierung (vgl. S. 19). Er mündet in die Erstellung eines Konzeptes für Geschichtsunterricht, das dem (reflektierten) Handeln im Sinne Aeblis Vorrang vor dem Denken gewährt (vgl. S. 101ff.). Begründet legt Mahler dabei Wert auf schülernahe Problemstellungen, fächerübergreifendes Arbeiten, selbsttätige Planung der Arbeitsschritte sowie deren zielorientierte Bewältigung in Kleingruppen, wobei dem Lehrer im Idealfall lediglich eine beratende Funktion zufällt. An dieser Stelle denkbar wären weiterhin Bemerkungen zu Stellenwert und Möglichkeiten binnendifferenzierten Unterrichts.
Die anschließende Aneinanderreihung der insgesamt 16 Einzelprojekte zu 'Rat und Gerichtsbarkeit', 'Handel' oder dem 'heiligen Sebald' dokumentiert kleinschrittig die Verschiedenartigkeit der jeweiligen Arbeitsabläufe. Diese haben bis zu vier Monate angedauert und wurden meist mit dem Kunst-/Werkunterricht verknüpft. Unverkennbar ist, dass trotz organisatorischen und zeitlichen Aufwands innerhalb handlungsorientiertem Unterricht beachtliche Ergebnisse sowie eine bemerkenswerte Gruppendynamik entstehen können.
Letzteres wird durch die von Mahler durchgeführte Evaluation bestätigt, wenngleich die Datenbasis mit nur zwölf (vor Projektbeginn) bzw. 20 (nachher) interviewten Lehrern recht schmal ist. Zudem liegt die Auswertung von immerhin 361 Schülerfragebögen vor, die eine überwiegende Zustimmung zu handlungsorientiert angelegtem Geschichtsunterricht zeigt (vgl. S. 357ff.). Das Messen des Lernzuwachses und somit eine Form der Ergebnissicherung konnte mittels der Fragebögen allerdings nur bedingt geleistet werden.
Die Autorin ermutigt mit ihrem Modellversuch zögerliche Lehrkräfte zu mehr Offenheit gegenüber handlungsorientiertem Unterricht und dem breiten Repertoire an Zugängen zu historischen Ereignissen, Figuren und Strukturen. Auch Schwierigkeiten und Widerstände werden nicht ausgeblendet. Dabei weist das Literaturverzeichnis neben einigen Lücken (grundlegende Studien von Bergmann 1998, Rohrbach/Bergmann 2001, Sauer 2001, Günther-Arndt 2003 und vor allem Völkel 2004) veraltete Ausgaben/Titel auf. Zur Veranschaulichung der gegenwärtigen, breit diskutierten Krise des deutschen Bildungssystems hätten durchaus Beiträge aus der aktuellen Diskussion integriert werden können (vgl. etwa S. 79).