"Kaiser, König, Edelmann"
Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Ein Streifzug durch 1000 Jahre

Mit der Niederlegung der Kaiserkrone durch Franz II. am 6. August 1806 fand ein staatlich-politisches Gebilde sein Ende, das die Geschicke Europas seit den Tagen Karls d. Großen zu unterschiedlichen Zeiten mit unterschiedlicher Stärke und in unterschiedlichen Formen mitgeprägt hatte. Umso erfreulicher ist daher, daß neben den großen Ausstellungen in Magdeburg und Berlin sowie in München, Sigmaringen und Stuttgart mit ihren teilweise mehrbändigen Katalogen und Aufsatzwerken, zu schweigen von der seit Jahren schwappenden Flut an geschichtswissenschaftlicher Fachliteratur zum Alten Reich nun auch ein über weite Strecken mit humorvoller Ironie geschriebenes, aber fundiertes Sachlesebuch zu diesem Thema vorliegt. Es ist klar, das wissenschaftliche Fachpublikum wird damit bewußt nicht angesprochen und es wird auch keine regelrechte 'Geschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation' von seinen Anfängen bis zu seinem Ende geliefert. Es ist vielmehr, ganz so wie es der Untertitel treffend bezeichnet, als Einladung zu einem 'Streifzug' durch die Geschichte zu begreifen. Dies macht die Lektüre zweifellos zu einem Gewinn für den interessierten Laien, und Studienanfänger können darin gewiß auch profitabel schmökern. Denn neben der chronologischen Schilderung werden dem Leser auf unterhaltsame Weise, quasi schlendernd, Grundbegriffe, Grundzüge und Grundprobleme des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reiches nahegebracht: von der Reichskirchenverfassung und dem Investiturstreit über die Entfaltung der spätmittelalterlichen Territorialstaatlichkeit und die Reformation mit einhergehender Glaubensspaltung bis hin zum preußisch-österreichischen Dualismus im 18. Jh. als letzte bestandene Zerreißprobe des Reiches. Freilich fehlt, dem Genre geschuldet und vom Autor wohl auch nicht angestrebt, die Unterfütterung bzw. Diskussion dieser Problemfelder mit der einschlägigen neueren Literatur ' so wird zwar vieles faktisch erwähnt bzw. beschrieben, ohne allerdings mit den einschlägigen Fachtermini auf den systematischen Punkt gebracht zu werden; Begriffe wie Staatsbildung, Konfessionalisierung, Bürokratisierung, Steuerstaat etc. wird man daher vergeblich suchen.

Einen Wert für sich kann das Schlußkapitel unter der Überschrift 'Was blieb?' beanspruchen. Ausgehend von dem ambivalenten Verhältnis von Stolz auf und Scham über die deutsche Geschichte gelingt es dem Autor, 1929 in Reichenberg in Nordböhmen geboren und nach dem Krieg in Bayern und im Libanon als Lehrer tätig, die Bedeutung des Alten Reiches für eine deutsche kulturelle und auch nationale Identität durchaus auch jenseits staatlich-politischer Begrenztheiten zu markieren. Allerdings treten in dieser durchaus plausiblen und in Zeiten der europäischen Einigung natürlich auch politisch korrekten Sichtweise die Historizität des Alten Reiches in seinen proto- und supranationalen Anlagen wie in seinen vor- bzw. ab dem 16./17. Jahrhundert überstaatlichen Anlagen in den Hintergrund.