Die allermeisten akademischen Festschriften sind thematisch überaus weit gefaßte Aufsatzsammlungen, wobei der verbindende Faden oftmals nur bedingt erkennbar bleibt. Entsprechend werden sie vielfach auch nur im Umfeld dessen beachtet, dem sie dediziert sind. Im vorliegenden Fall ist das ganz anders. Denn die 66 Autorinnen und Autoren, die zu Ehren des Berliner Historikers Hartmut Kaelble 'Quellen und Essays zur modernen europäischen Geschichte' zum Themenfeld 'Europa und die Europäer' beigesteuert haben, sind von einem Ansatz ausgegangen, den man sich für Festschriften nur wünschen kann. Dazu hatten die Herausgeber zwei Schlüsselfragen formuliert: Was sollten Europäer und Nichteuropäer über die europäische Geschichte wissen? ' Was ist an der Geschichte Europas und der Europäer wichtig, typisch, überraschend, erfreulich, deprimierend...? Die Antworten sollten jeweils an Hand der Interpretation einer Quelle aus dem 19. oder 20. Jahrhundert entfaltet werden. Heraus kam dabei eine kommentierte Quellensammlung von hohem Erkenntnis- und Gebrauchswert. Denn die Palette reicht von den 'Reiseerinnerungen und Reflexionen eines rheinischen Gerbergesellen' (1836/38) bis zur Humboldt-Rede Joschka Fischers, die er 2000 als Bundesaußenminister zum Thema 'Integration oder Erosion' hielt. Geordnet sind die Quellen in sieben Kapiteln: Arbeit, Wirtschaft und Gesellschaft ' Religion und Wertewandel ' Selbst- und Fremdbilder zwischen Nation und Europa ' Europa und die Welt ' Autokratie, Diktatur und Demokratie ' Krieg und Frieden ' Organisation und Institutionalisierung Europas. Damit werden zugleich Schlüsselfelder europäischer Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts fixiert. Wäre allein dies schon ein Grund, die Kaelble-Festschrift besonders hervorzuheben, so gilt dies nicht weniger in einer weiteren Hinsicht. Denn wo die behandelten Quellen nur auszugsweise oder in Übersetzung zum Abdruck kamen und mit der Festschrift-Lektüre das Interesse an der Gesamtquelle bis hin zur originalsprachlichen Fassung entsteht, bedarf es nicht unbedingt des Weges zur nächsten Großbibliothek. Denn im Internet ist unter www.europa.clio-online.de ein weiterführendes Portal im Aufbau, das zudem längerfristig zu einer Anlaufstelle für 'lehrunterstützende Materialien und Quellen zur modernen europäischen Geschichte' ausgebaut werden soll. Auch wer deshalb zukünftig akademische Festschriften im Bereich der Geschichte plant, sollte unbedingt einen Blick in die vorliegenden 'Quellen und Essays' werfen.