Der Brockhaus Geschichte
Personen, Daten, Hintergründe

In Zeiten, in denen das Internet für viele Studierende (und selbstverständlich nicht nur die) den Gang in die Bibliothek allzu oft ersetzt, ist die Neuauflage eines Lexikons mit geballtem Geschichtswissen sehr zu begrüßen. Der Brockhaus Geschichte kommt ganz und gar nicht als trockenes Lexikon daher, so daß er genau diese jüngere Generation auch ansprechen dürfte. So sollte ein modernes Lexikon aussehen: Neben den alphabetischen Stichwörtern gibt es zu einzelnen Themen auch ausführlichere Artikel, Infokästen, zahlreiche Graphiken und Bilder, das Layout ist ansprechend gestaltet.
Einige Eckdaten des Lexikons seien aus dem Vorwort zitiert: 'Rund 4000 Stichwörter erschließen die wichtigsten Personen und Sachbegriffe, Länder und Geschehnisse. 1000 Fotos und Graphiken, erläutert durch ausführliche Bildunterschriften, illustrieren die Artikel. Für den schnellen Überblick sorgen 60 Karten sowie 20 Tabellen und Stammtafeln. 134 Infokästen berichten so ausführlich wie lebendig von berühmten historischen Ereignissen, 116 weitere Infokästen lassen Menschen, die Geschichte machten, zu Wort kommen. Vom Wandel, dem Schlüsselbegriffe der Kultur- und Alltagsgeschichte wie 'Arbeit' und 'Kleidung', 'Liebe' und 'Reisen' in den zurückliegenden Jahrhunderten unterworfen waren, berichten 24 umfangreiche Sonderartikel.'
Es liegt bei einem so breit angelegten Lexikon (es handelt sich immerhin um ein einbändiges Lexikon über 'die' Geschichte der Menschheit) auf der Hand, daß man sich manchmal genauere Informationen wünschen würde. Das ist zu verschmerzen. Leider finden sich im Lexikon auch viele Ungenauigkeiten, die mitunter auf die erforderliche Knappheit zurückzuführen sind. So erweckt der Eintrag 'Getto, Ghetto' den Eindruck, daß Getto Lodz sei im Januar 1942 bereits aufgelöst worden: '15.1. Räumung in Lodz' ' tatsächlich bestand das Getto bis zum Sommer 1944. Vom 16. Januar (nicht vom 15. Januar an) wurden Juden aus Lodz in das Vernichtungslager Kulmhof deportiert; das war der Beginn des Massenmordes an den Lodzer Juden, aber noch nicht die Auflösung des Gettos. Das genannte Vernichtungslager wird im Lexikon als 'Culm' bezeichnet; der polnische Name war Che³mno, der deutsche Kulmhof. Es ist ärgerlich genug, daß es immer wieder vorkommt, daß der Aufstand im Warschauer Getto 1943 mit dem Warschauer Aufstand 1944 verwechselt wird; da trägt es nicht zur begrifflichen Klärung bei, daß beide Aufstände im vorzustellenden Lexikon 'Warschauer Aufstand' heißen. Auch wurden nicht, wie hier zu lesen, 'rund 300000 Juden in nationalsozialistische Vernichtungslager im September 1942 deportiert', sondern die Deportationen dieser Juden in das Vernichtungslager Treblinka dauerten von Ende Juli bis September 1942. Die bekannte und viel diskutierte Ausstellung über die Verbrechen der deutschen Wehrmacht wurde auch nicht von der 'Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts' verantwortet, wie im Lexikon zu lesen ist, sondern vom 'Hamburger Institut für Sozialforschung'. Dies waren einige der fehlerhaften oder zumindest mißverständlichen Angaben aus dem Fachgebiet der Rezensentin, die ärgerlich sind.  
Doch ist das Lexikon in vielen Teilen überzeugend und bietet thematisch, räumlich und zeitlich sehr weitreichende Informationen, die zudem sehr übersichtlich dargeboten werden. Hochaktuell ist es auch. Es bleibt ein ' wenn auch mit Abstrichen ' zu empfehlendes Lexikon der Geschichte. Zum Schluß sei noch ein ganz und gar unwissenschaftliches Argument gestattet: Es macht einfach Spaß, das Lexikon als anregendes Lesebuch zu nutzen und auf 'historische Entdeckungsreise' zu gehen.