Der mittelalterliche Kosmos
Karten der christlichen und islamischen Welt

Bis zur kopernikanischen Wende wurde das Universum als System von konzentrischen Sphären gedacht. Mittelpunkt war die Erde. Poetisch und philosophisch am ausführlichsten hat Dante D. Alighieri in seiner 'Göttlichen Komödie' diesen Kosmos beschrieben. Alles hat seine schöpferische Ordnung und befindet sich in Harmonie. Wehe aber, 'wenn die Planeten in übler Abweichung ins Chaos wandern'; William Shakespeare hat die Folgen in 'Troilus und Cressidra' skizziert: Plagen, Stürme und Erdeschwanken ' Furcht, Grauen und Umsturz, um nur einige zu nennen. Unordnung war also kosmische Störung der Ordnung. Und die Ordnung? Sie war schon in der Antike Gegenstand der Beschreibung und Erklärung. Augenfällig wird das besonders in der Kartographie. So wurde der 'Plan der Erde' seit dem 9. Jahrhundert mit Vorliebe in Form von 'T-Karten' dargestellt: In einem 'Erdkreis' sind die drei Kontinente Asien, Afrika und Europa dargestellt: Asien füllt als Halbkreis die obere Kreishälfte und je in einen Viertelkreis sind Europa und Asien hineingestellt. Bereits ins 11. Jahrhundert gehen aber auch schon Zonenkarten zurück; sie griffen zugleich über die drei bekannten Kontinente hinaus, so etwa in einer Kommentarbeigabe zu Ciceros 'Somnium Scipionis', die sieben Geozonen darstellt, darunter als südlichste 'frigida australis'. Evelyn Edson (sie lehrt Geschichte und Geisteswissenschaften an einem College in Virginia), Emilie Savage-Smith (Orientalistin in Oxford) und Anna-Dorothee von den Brincken (Mediävistin in Köln) erschließen diese Welt in einem reich illustrierten Band, der besonders dadurch besticht, daß er nicht nur den christlichen Kulturkreis berücksichtigt, sondern auch den islamischen. Dabei fällt bereits auf den ersten Blick ins Auge, daß die Karten aus dem islamischen Umfeld topographisch weit reichgestalteter sind als die zeitgleichen Karten aus dem christlichen Abendland, denn die Kartographen des Orients konnten unmittelbar auf die geographischen Schriften des Ptolemäus und die kosmologischen Werke von Aristoteles zurückgreifen. Das war den europäischen Kartographen nicht möglich. Dazu kam die Ausbreitung des Islam in Afrika und Asien; dies führte zu erheblichen Fortschritten im topographischen 'Weltwissen', insbesondere auch durch die Reisen des marokkanischen Geographen Ibn Battutah im 14. Jahrhundert. Vor allem aber fällt auf, daß islamische Karten aus dem Mittelalter ausschließlich für praktische Zwecke gezeichnet zu sein scheinen, während europäische Karten des Mittelalters eher Versuche gewesen sind, die Räumlichkeit der Erde theologisch zu erklären. Das änderte sich mit der kopernikanischen Revolution im 16. Jahrhundert: An die Stelle der theologischen Deutung trat nun eine wissenschaftliche Methodik, die auf Beobachtungen und Experimenten beruhte. Damit stellte sich zugleich die Frage neu, was 'die Welt im Innersten zusammenhält'.