Kosmos
Entwurf einer physischen Weltbeschreibung

Ralph Waldo Emerson nannte ihn 'eines jener Weltwunder, die von Zeit zu Zeit auftauchen, so als wollten sie uns die Möglichkeiten des menschlichen Geistes vorführen, die Kraft und den Rang seiner Fähigkeiten ' einen universellen Menschen'. Die Rede ist von Alexander von Humboldt, dem Naturforscher, Universalgelehrten und Weltbürger.
Zweihundert Jahre nach seiner legendären Amerikareise wird er mit gleich drei Buchausgaben neu gewürdigt. Gewagt hat diesen Versuch der Frankfurter Eichborn-Verlag und damit gleich ein Ereignis seiner Verlagsgeschichte mit gefeiert, den 20. Geburtstag der 'Anderen Bibliothek'. Entsprechend opulent sind alle drei Bände ausgestattet.
Das gilt vor allem für Humboldts Hauptwerk, das in fünf Bänden zwischen 1845 und 1862 erschien: den Kosmos. Erstmals seit dem 19. Jahrhundert liegt dieser 'Entwurf einer physischen Weltbeschreibung' nun wieder in einer vollständigen Ausgabe vor; vollständig, das heißt: im Umfang von fast 1000 Seiten im Folio-Format, aufwendig gebunden und auf gediegenem Papier gedruckt. Ist so allein der Kosmos schon eine Augenweide, so einmal mehr zusammen mit der Zugabe, dem vierfarbigen Physikalischen Atlas von Heinrich Berghaus, einer zeitgenössischen 'Sammlung von Karten, auf denen die hauptsächlichsten Erscheinungen der anorganischen und organischen Natur nach ihrer geographischen Verbreitung und Vertheilung bildlich dargestellt sind'. Es war deshalb eine überaus glückliche Verlagsentscheidung, beide Werke zusammen in einem Schuber herauszugeben. Denn die wissenschaftsgeschichtliche Leistung Alexander von Humboldts wird so besonders augenfällig: Er hat zahlreichen, zu seiner Zeit noch als 'weiße Flecken' dargestellten Regionen der Erde 'Farbe' gegeben.

Das gilt insbesondere für die 'Neue Welt'. Humboldt hatte sie auf einer fünfjährigen Reise (5. Juni 1799 bis 3. August 1804) zwischen Washington und Lima durchstreift. Der Ertrag dieser Reise füllt eine ganze Reihe von Veröffentlichungen, die er bis zu seinem Tod 1859 vorlegte, darunter die Ansichten der Kordilleren und Monumente der eingeborenen Völker Amerikas (erschienen 1810-13). Für Mittelamerika wie das nördliche Südamerika begründete er damit die regionale Geographie, einschließlich Geologie, Botanik und Zoologie, um nur einige der Wissenschaftsfelder zu nennen, in denen Humboldt heimisch war.

Was er in den Ansichten der Kordilleren unter regionalen Gesichtspunkten darstellte, das entfaltete er in einer naturwissenschaftlichen Synthese nicht nur im Kosmos, sondern auch in seinen Ansichten der Natur, deren erste Ausgabe er 1808 vorlegte. Beide Werke wurden seinerzeit zu Bestsellern. Kein Wunder deshalb, daß Johann Wolfgang von Goethe ' Humboldts Zeitgenosse ' seinem Herzog einmal voller Bewunderung schrieb: 'Sie können in einer Woche nicht so viel aus Büchern lernen, wie er ihnen in einer Stunde erklärt'.

Überhaupt: Goethe und Humboldt. Beide verbindet das Bestreben, den universellen Bauplan des Weltganzen zu verstehen und zu beschreiben ' zu begreifen also, 'was die Welt im Innersten zusammenhält'. Humboldt hat dazu in den Ansichten der Natur und im Kosmos Überdauerndes beigesteuert.

Die von Hans Magnus Enzensberger und Franz Greno inspirierte 'Frankfurter Humboldt-Trias' ergänzt und erweitert damit in glücklicher Weise die 1987-97 von Hanno Beck herausgegebene Darmstädter Humboldt-Ausgabe. Zwei Jahrhunderte nach seiner Amerika-Reise ist Alexander von Humboldt damit gleich doppelt präsent. Die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung des Autors und seines Lebenswerkes könnten kaum besser unterstrichen werden.