Der von Irmgard Möller und Walter Schieche bearbeitete Briefband eröffnet die Reihe III der Historisch-Kritischen Ausgabe. Der Band enthält Briefe von und an Schelling. Darunter verstehen die Herausgeber gedruckte sowie ungedruckte überlieferte Briefe, die Schelling entweder selbst 'niederschrieb, entwarf, diktierte oder eigenhändig unterschrieb'. Das Unternehmen einer möglichst vollständigen Briefedition liegt auch darin begründet, daß bislang kaum die Hälfte des Schellingschen Briefwechsels ediert ist. Der vorliegende Briefband enthält 144 Briefe, von denen zehn hier zum ersten Mal veröffentlicht werden.
Die Briefezeit Schellings hebt an mit dem Abschied von der Lateinschule in Nürtingen und dem Eintritt ins Herzogliche Theologische Stift in Tübingen.
Da überwiegen die Briefe an die Eltern. Auch die berühmten Briefe Schellings, etwa der erste Brief an Fichte, aber auch an Hegel haben hier ihren Ort. Am Dreikönigstag 1795 richtet Schelling an Hegel einen Brief, in dem er eine neue philosophische Zeit heraufziehen sieht. 'Kant hat die Resultate gegeben: die Prämissen fehlen noch.' (S. 16) Wenige Monate später äußert er ihm gegenüber schon eine Haltung, die sich vom Moralismus seiner Zeit abwendet: 'Man wollte keine gelehrte - man wollte nur moralisch-glaubige Theologen, Philosophen, die das Unvernünftige vernünftig machen, und der Geschichte spotten.' (S. 27)
Schön zu lesen sind die Berichte an Schellings Eltern von 1796, die den Übergang von der Studienzeit zum Beruf markieren: die Berichte seiner Reise von Tübingen über Mannheim und Darmstadt, Frankfurt, Jena und Weimar nach Leipzig. Er hat unter anderen Schiller getroffen: '[A]ber lang könnte ich's bei ihm nicht aushalten', notiert er über den Dichter, der 'im Sprechen so furchtsam seyn kann. Er ist blöde, u. schlägt die Augen unter'. (S. 67) In diesen Monaten wächst in dem jungen Hofmeister der naturphilosophische Jugendgedanke heran: die 'Idee zwoer entgegen gesezter Kraefte'. (S. 152) Diesem hatte er die Sympathien, die Goethe ihm entgegenbrachte, zu verdanken, bei dem er sich mit einem knappen Brief für die Berufung nach Jena im August 1798 bedankt. Ein Jahr später beginnt der wichtige Briefwechsel mit Fichte, über das Verhältnis der Transzendentalphilosophie zur Naturphilosophie, der schließlich zum Bruch mit Fichte führen wird. Noch herrschen die Mißverständnisse über den gemeinsamen philosophischen Weg vor, und mit dieser Versöhnlichkeit kann der vorliegende Briefband noch enden.
Nicht unerwähnt darf die Bitte bleiben, die Hölderlin im Sommer 1799 an Schelling richtet. Es ist der Ruf des Freundes, der zur Mitarbeit am Journal aufgerufen war und jetzt alles Zutrauen in seine intellektuelle Leistungsfähigkeit verloren hat. Hölderlin bittet um nichts anderes, als 'mich wenigstens bald mit irgend einer Antwort zu erfreuen'. (S. 220) Schelling antwortet bald: 'Ich bin jetzt eben in einer Lage u. einer Stimmung, die nur wenig zu schreiben erlaubt'. (S. 221) Schelling hat jetzt für freundschaftliche Worte keine Zeit mehr - er ist inzwischen Professor der Philosophie.