Diskursethik und Diskursanthropologie
Aachener Vorlesungen

Die ethische Dimension der Verständigung

 

Mitgeteilt werden Aachener Gastvorlesungen vom Winter 1997/98. Die Philosophie wird von Apel bezogen auf die Aufgabe der Politik. In der Politik des 20. Jahrhunderts folge auf die atomare Bedrohung nach 1945 die ökologische Krise und der Nord-Süd-Gegensatz zwischen reichen und armen Völkern. Heute gebe es die Probleme der Globalisierung. Die Zeit um 1950 sei philosophisch gekennzeichnet gewesen durch die Komplementarität zwischen Szientismus und Existenzialismus in der westlichen Welt und durch die Ideologie des Historischen Materialismus im Osten. Die siebziger Jahre seien durch die hermeneutische Wende in der kontinentaleuropäischen Philosophie und durch die sprachpragmatische Wende in der angelsächsischen Philosophie bestimmt; ein Problem bleibe der Historismus und Relativismus. Apel selbst führt zu einer ethisch angeleiteten Weltpolitik. In „1 000 Gesprächen und Konferenzen über Menschheitsprobleme“ werde Kants Aufruf zum ewigen Frieden konkret eingelöst in der vom Fortschritt auferlegten Pflicht zu einer räsonierenden Weltöffentlichkeit. Nach Apel entspricht die strategische Interaktion, die eigene Ziele durchsetzen will, dem Instinktverhalten der Tiere. Thukydides habe sie charakterisiert in seinem Bericht über die Weise, in der die Athener die Melier in den attischen Seebund zwingen und damit ihren Zielen dienstbar machen wollten. Diesem Verhalten entgegengestellt wird mit Sokrates die sprachliche Verständigung, die zu gemeinsamen Handeln führen könne. Komplementär zu den realen Argumentations- oder Diskursgemeinschaften müsse eine ideale antizipiert werden, die universale Normen (gleiche Berechtigung und Mitverantwortung aller Partner) folge und zu universalisierten Geltungsansprüchen führen könne. Bei der Erörterung des Geflechts von idealer und realer Kommunikationsgemeinschaft unterscheidet Apel durch ein Bestehen auf der Problematik der Anwendung sich von Jürgen Habermas, mit dem er zusammenarbeitet. – Marcel Niquet führt von der klassischen Anthropologie der Scheler, Plessner und Gehlen sowie von Strawson und Thomas Nagel zu einer Diskursanthropologie, die diskursive und nicht diskursive Lebensformen berücksichtigt. Der Band im ganzen gibt eine authentische Einführung in den Beitrag, den Karl-Otto Apel zur Philosophie unserer Zeit geleistet hat. Sichtbar wird, wie sehr dieses Philosophieren geprägt wurde durch die Aufmerksamkeit auf die Problemfelder der Zeit.