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Søren Kierkegaard: Gesammelte Werke und Tagebücher - WLA-Online - Wissenschaftlicher Literaturanzeiger
Søren Kierkegaard: Gesammelte Werke und Tagebücher
Die Tagebücher. Erster Band

Werkstattnotizen

 

Die Tagebücher von Søren Kierkegaard, die nun in einer Neuausgabe erscheinen – noch in diesem Jahr sollen alle 5 Bände vorliegen – gehören in den Rahmen einer Neuauflage der 1956-1974 erschienenen Gesamtausgabe der Werke im Verlag Eugen Diederichs, der offenbar meint, die finanzielle Verantwortung für dieses Projekt nicht weiter tragen zu können. Das ist auch aus Gründen der Tradition bedauerlich, aber Tradition spielt heute fast keine Rolle mehr; doch daß sich nun ein weit weniger bekannter Verlag entschlossen zeigt, das bedeutende Unternehmen weiterzuführen, verdient weit mehr als floskelhafte Anerkennung.

Anders als bei manchen Autoren des 18. und 19. Jahrhunderts sind diese Tagebücher nicht nur private Dokumente, Chronik der Stimmungen und Empfindungen, sie sind Materialienbuch und Werkstattnotiz, sind weniger als manche es möchten, autobiographische Bekenntnisschrift, doch sind die Journalaufzeichnungen von allen diesen Elementen mitgeprägt. In einer für den Herausgeber sogar verwirrenden Weise ergibt sich, daß Kierkegaard mehrere Hefte zur gleichen Zeit geführt hat, so daß es zu chronologischen wie auch zu thematischen Überschneidungen kommt. Erstaunlicherweise fehlen aber die unter diesen Bedingungen leicht zu befürchtenden Wiederholungen.

Wer Kierkegaard zu lesen gelernt hat, wird mehr finden als zunächst zu erwarten war, der mit Kierkegaard wenig oder gar unvertraute Leser wird allerdings kaum durch die Lektüre der Tagebuchaufzeichnungen zum Schriftsteller und Verfasser von Entweder – Oder finden, das man ihm wegen seiner denkerisch-dramatischen wie kompositorischen Eigenart empfehlen möchte. Nach einer solchen Lektüre aber gewinnen die Tagebücher, die man gar leicht durch eine geschickte Auswahl zu einem lesbaren Geständnisbuch zu machen versucht sein könnte, wiederum an Bedeutung. Es wäre allerdings kaum zu rechtfertigen, wollte man sich den Zugang zum Werk Kierkegaards einfach dadurch verschaffen, daß man sich auf das Tagebuch beschränkt. Dem baut diese umsichtige, materialgerecht gegliederte, zuweilen vielleicht ein wenig zu ausgiebig kommentierte Neuausgabe allerdings vor.