Trinität und Realität
Marius Victorinus (281/291 - ca. 365, afrikanischer Abstammung, Rhetor, römischer Senator, seit ca. 356 Anhänger des christlichen Glaubens, nach dem Edikt Kaiser Julians 363 Verlust seiner Ämter), berüchtigt wegen seiner obskuren Diktion, in der er seine erhaltenen philosophiedurchwirkten theologischen Schriften verfaßt hat, ist immer wieder als systematischer Denker präsentiert worden, so etwa von P. Hadot, M. Tardieu und W. Beierwaltes (S. 2f.). Der Anspruch, den der Vf. mit seiner Monographie verfolgt, ist bescheidener: Er sucht zu ermitteln, worin sich Marius Victorinus philosophisch von Arius und seinen Anhängern sowie von einigen anonymen Neuplatonikern unterscheidet, und dann typisch viktorinische Lehrinhalte zu explizieren, darunter die Trinitätstheorie (S. 70ff.), den Gedanken der Konsubstantialität der drei göttlichen Hypostasen (S. 75ff.) und das Realitätsmodell (S. 80ff.), bei dessen Rekonstruktion der Vf. sich allerdings gelegentlich in Hypothesen ergeht (S. 83, 87, 97) und so hinter seinen eigenen Anspruch zurückfällt, nicht um jeden Preis Marius Victorinus als Systemdenker zu etablieren. Im Schlußteil werden die für Marius Victorinus nachweisbar signifikanten neuplatonischen Lehren zusammengestellt (S. 107ff.), Lehren, die er freilich nicht konsequent übernommen, sondern seiner jeweiligen Intention angepaßt hat (S. 115), Lehren, die zwischen Porphyrios/Iamblich und Syrian anzusetzen sind (S. 125).
Nicht der Systemdenker Marius Victorinus, sondern der eigenwillige Vermittler neuplatonischer Philosophie im sprachlichen Gewand der Latinität zur Beförderung der christlichen Lehren bildet den Gegenstand der vorliegenden Studie, die somit glänzend dokumentiert, daß der Neuplatonismus kein statisches philosophisches Konstrukt war, sondern sich dynamisch fortentwickelt hat, und sei es auch nur zu einem ihm als solchem äußerlichen Zweck, nämlich die theoretischen Fundamente des Christentums argumentativ abzusichern.