Johann Chapoutot schrieb seine Dissertation an der Sorbonne und veröffentlichte 2008 das daraus hervorgegangene Buch Le national-socialisme et l'Antiquité. Nun ist dieses von Walther Fekl ins Deutsche übersetzt und vom Zabern Verlag unter dem Titel Der Nationalsozialismus und die Antike veröffentlicht worden.
Das 500 Seiten starke Buch gibt ausführlich Auskunft zu den Gründen und Versuchen der Nationalsozialisten mit Hilfe eines propagandierten antiken Vermächtnisses das deutsche Volk zu beeinflussen. Der verzweifelte Versuch eine ruhmvolle Vergangenheit aus einer „rassischen Verwandtschaft“ mit den antiken Griechen und Römern zu konstruieren, wird von Chapoutot entlarvt und erklärt. Dabei helfen ihm viele Quellen die Vorgänge anschaulich zu machen.
In der Einleitung geht der Autor ausführlich auf diese Fragestellung ein. Ganz ohne Hintergrundwissen ist diese Einleitung kompliziert zu lesen. Doch man lernt auch, wie der Autor zu diesem Thema kam und was ihn daran fasziniert.
Der eigentliche Textteil des Buches ist in drei große Kapitel unterteilt, welche ebenfalls jeweils in drei Kapitel aufgeteilt sind. Der erste Teil des Buches behandelt die Gründe und Hintergründe, warum es zu einer Annexion der Antike kam. Hierbei liegt der Schwerpunkt besonders auf der Herausstellung der in der NS-Zeit unternommenen Suche nach einer propagandistisch verwertbaren Vergangenheit Deutschlands und deren Verbreitung, zum Beispiel in Schulbüchern. Daraufhin erläutert der Autor im zweiten Teil, auf welche Weise man der Antike versuchte nah zu kommen, sie zu imitieren. Dabei werden unzählige Beispiele genannt, wie der Einfluss griechischer Plastiken auf die bildende Kunst oder geplante Bauvorhaben, die sich an römischer Architektur orientieren. Im dritten und letzten Teil schließlich werden die historischen Hintergründe aufgerollt. Der Autor erklärt, wie das Bild vom Untergang antiker Kulturen und der von Hitler gewollte Untergang des deutschen Volkes zusammenhängen.
Jedes Kapitel endet in einer Schlussbetrachtung, die das vorangegangene Kapitel noch einmal knapp zusammenfasst. Dazu folgt am Ende des Textteils eine übergreifende Schlussbetrachtung.
Im folgenden Anhang finden sich nicht nur das Literatur- und Quellenverzeichnis, auch die Fußnoten werden teils ausführlich aufgeschlüsselt und bieten abermals interessante Hintergrundinformationen. Ein Namensregister, welches die Arbeit mit dem Buch ungemein erleichtert, schließt den Band ab.
Bei Chapoutots Ausführungen handelt es sich um starken Stoff, der mit den vielen gegebenen Hintergrundinformationen und Erklärungen dennoch gut zu meistern ist. Denn die lange Lektüre lohnt sich. Der Autor deckt ungeahnte Zusammenhänge auf. Unzählige Zitate vervollständigen nicht nur die im Fließtext gegebenen Informationen, sondern bieten die Möglichkeit eines eigenen Standpunktes. Das einzige Manko des Buches ist die kaum ausreichende Bebilderung, denn es wird zwar alles Wichtige vom Autor verbal dargelegt, doch oft wäre eine visuelle Darstellung, selbst wenn nicht zwingend notwendig, so doch zur Verdeutlichung sehr wünschenswert. Alles in allem ist Johann Chapoutots Buch Der Nationalsozialismus und die Antike ein sehr beeindruckender Band, der weit mehr als einen Überblick zu geben vermag.