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Deutsche Philologie an den preußischen Universitäten im 19. Jahrhundert - WLA-Online - Wissenschaftlicher Literaturanzeiger
Deutsche Philologie an den preußischen Universitäten im 19. Jahrhundert
Dokumente zum Institutionalisierungsprozess

Uwe Meves hat eine Sammlung meist bislang unveröffentlichter fachgeschichtlicher Quellen herausgegeben, die den Institutionalisierungsprozess der Disziplin „Deutsche Philologie“ im 19. Jahrhundert dokumentieren. Dieser Prozess ist in groben Zügen bekannt, die Entwicklung des Faches steht in enger Verbindung mit der Entwicklung eines nationalstaatlichen Denkens im 19. Jahrhundert. Die von Uwe Meves vorgestellten und erschlossenen Dokumente der preußischen Universitäten machen aber deutlich, dass es sich dabei in erster Linie keineswegs um einen „nationalen Triumphzug“ gehandelt hat. „Die im Entstehen begriffene Disziplin Deutsche Philologie gewann an den Universitäten nur langsam an Boden, ihre Etablierung erstreckte sich über mehrere Jahrzehnte, nahm keinen kontinuierlichen Verlauf, stellte keinen nationalen Triumphzug dar und erfolgte an den einzelnen deutschen Universitäten wie auch in Preußen zeitlich stark versetzt“ (S. XI).

Die Spanne der Texte reicht von der Einrichtung und den Anfängen der ersten Professuren, die unter den verschiedensten Bezeichnungen – etwa „Lateinische und altdeutsche Litteratur, Rhetorik und Ästhetik“ (Münster) oder „Orientalische und altdeutsche Literatur“ (Marburg) – die älteren, auf Rhetorik, Stilistik und Ästhetik konzentrierten „Generalistenprofessuren“ ablösten, bis zur Ausdifferenzierung des Faches in „Altgermanistik“ und „Neugermanistik“ am Ende des 19. Jahrhunderts. Nach der Auflösung und Zusammenlegung bestehender und der Gründung neuer Universitäten gab es in Preußen am Ende der Reformjahre 1818 Universitäten in Berlin, Bonn, Breslau, Greifswald, Halle-Wittenberg und Königsberg. Dazu kam die auf eine katholische und philosophische Fakultät beschränkte Akademie Münster. Als Anhang sind zudem Dokumente der Universität Marburg beigegeben, an der erst nach der Annexion Kurhessens in den preußischen Staat im Jahre 1868 eine ordentliche Professur für deutsche Sprache und Literatur eingerichtet wurde. Es geht in den Archivmaterialien also vor allem um die Gründung der Seminare, die Berufung und Besoldung von Professoren wie August Wilhelm Schlegel, auch um Kritik an der Qualität der Lehre einzelner Personen, etwa Karl Lachmanns in Königsberg, aber auch um die Würdigung von Forschungsleistungen. Meves selbst arbeitet eine Reihe von Aspekten heraus, die auf der Grundlage der Dokumentensammlung nun eingehender betrachtet werden können, etwa die an jeder Universität unterschiedlich wirkenden personellen, lokalen, universitären, disziplinären, politischen und staatlichen Einflussfaktoren, die Entstehung, Konkurrenz und Durchsetzung verschiedener akademischer Zugangsweisen zur Literatur und Sprache, die unterschiedlichen wissenschaftsprogrammatischen Auffassungen, etwa zur Differenzierung von Alt- und Neugermanistik oder zur Unterscheidung von Philologie und Sprachwissenschaft. Darüber hinaus kommt eine Fülle personenbezogener Materialien zusammen, die immer wieder neues Licht auf die Fachgeschichte im 19. Jahrhundert werfen. Während der erste Teilband die ersten Professuren behandelt, werden im zweiten Teilband Quellen zur Vorgeschichte, Einrichtung und Differenzierung der germanistischen Seminare präsentiert. Hier kommen dann auch Dokumente zu den Universitäten Göttingen und Kiel hinzu, an denen bereits vor ihrer Einverleibung in den preußischen Staat im Jahre 1866 Lehrstühle für „Deutsche Philologie“ bestanden. Die Entwicklung dieser Seminare nach 1866 fällt dann also wieder in den Gegenstandsbereich der Untersuchung. Die Dokumente jeder Universität werden mit einer kurzen Skizze der jeweiligen lokalen Fachgeschichte eingeleitet, auf die dann die einzelnen Texte Bezug nehmen. Mit besonderem Interesse liest man auch in den Dokumenten des zweiten Teilbandes über das Verhältnis von wissenschaftlicher Ausbildung und dem Unterrichtsfach Deutsch an Gymnasien, handelt es sich dabei doch um ein Thema, das auch heute ungebrochen aktuell ist.

Über die Bedeutung der Texte für die Fachgeschichte hinaus, die hier in philologisch mustergültiger Form, also diplomatisch, erschlossen werden, ist die Dokumentensammlung auch eine Fundgrube für den Sprachgebrauch und das Stilgefühl in der gelehrten Korrespondenz des 19. Jahrhunderts. Bedauerlich ist nur, dass Anrede- und Schlussformeln, wenn sie „aus rein konventionellen Floskeln, die nichts über das Verhältnis Absender/Adressat aussagen“, bestehen, nicht mit abgedruckt wurden (S. XXVf.). Sie sind kein ganz unwichtiger Teil der Briefkultur des 19. Jahrhunderts. Einiges von dem in den meisten Briefen anzutreffenden Komplimentierstil hat sich dennoch erhalten – etwa auch in einem Schreiben des Privatdozenten A. Hoefer am 27. Januar 1840. So schreibt Hoefer (S. 337):

Hochgeehrtester Herr Professor und

Decan der Philosophischen Fakultät.

Der Unterzeichnete erlaubt sich hiermit gehorsamst anzufragen, ob die Höchlöbliche Philosophische Facultät der Königlichen Universität zu Greifswald vielleicht geneigt wäre, für Sanskrit, Vergleichende Sprachwißenschaft und Altdeutsche Philologie einen mit angemeßenem Gehalte verbundenen Lehrstuhl zu gründen? […] Ew. Wohlgeboren würden mich zu Danke verpflichten, wenn Sie mich gelegentlich von dem Willen der Facultät in Kenntnis zu setzen die Güte haben wollten.

Hochachtungsvoll gehorsamst

Dr. Albert Hoefer

Eine andere Facette spiegelt die launige Prosa eines Karl Simrock, der noch heute als früher Übersetzer des „Nibelungenliedes“ bekannt ist. Professor Karl Simrock ersucht in Bonn am 14. Juli 1863 den Minister von Mühler um Gehaltserhöhung und zur Ernennung zum Mitglied der Wissenschaftlichen Prüfungskommission. In seinem Brief heißt es u.a., als Spiel mit Kompliment und Konvention(S. 919f.):

[…] Ich kann nicht glauben was mir vielfach versichert wird, daß meine Confession [Simrock war katholisch] die Ursache meiner Zurücksetzung sei: ich kann das einem erleuchteten hohen Ministerium um so weniger zutrauen als meine zahlreichen Schriften keine Spur von confessioneller Färbung zeigen und ich nichts so sehr verabscheue als das jetzt wieder rechts und links beliebte selbstmörderische Zerren an der klaffenden Wunde, an der sich Deutschland verbluten wird, wenn es nicht bald verständige Ärzte findet. Wenn Alle so dächten wie ich, so würde ein gänzliches Hinwegsehen über den confessionellen Unterschied  uns bald zu der ersten Macht Europas erheben. Aber

Kein Nießwurz hilft, kein Malzextract,

Wir sind und bleiben abgeschmackt;

An uns confessionellen Thoren

Ist leider Hopf und Malz verloren.

Da es die Confession nicht sein kann, die meiner Beförderung im Wege steht, so ist es vielleicht die Meinung, als wenn ich wohlhabend wäre, was sich daraus erklärt, daß meine Brüder es sind, und mein Vater er war. Allein mein Vater hatte acht Brüder und meine Brüder haben reiche Frauen und gute Geschäfte, während ich als ein Poet für das Zeitliche zu sorgen nicht gelernt habe.

Die von Uwe Meves gesammelten Texte ermöglichen einen unmittelbaren Zugang zur Fachgeschichte, wie sie eine analytisch angelegte Darstellung allein nicht zu leisten vermöchte. Dem Herausgeber und allen übrigen Beteiligten, die ein solches Langzeitvorhaben möglich gemacht haben, sei dafür herzlich gedankt.