Der Journalist und Autor Matthias Heine, der die Germanistik bereits durch sein populäres Buch „Seit wann hat geil nichts mehr mit Sex zu tun? 100 deutsche Wörter und ihre erstaunlichen Karrieren“ bereichert hat, schreibt nun unterhaltsam und fachlich fundiert über die bisher in der Forschung zu wenig berücksichtigten Folgen, die der Erste Weltkrieg und der Untergang des Kaiserreichs für die weitere Entwicklung der deutschen Sprache gehabt haben. „Bis 1914 war Deutsch eine expandierende Sprache. Jahrhundertelang hatte sie zuvor ihren Geltungsbereich vor allem im Osten Europas ausgedehnt. […] Das alles endete mit der Niederlage im Ersten Weltkrieg. Von da an schrumpfte der Geltungsbereich des Deutschen“ (S. 18f.).
Heinze führt seine Leser nicht nur in den Osten Europas, sondern auch in die Welt der Deutsch-Amerikaner, in die ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika, China und im westlichen Pazifik. Er betrachtet die dortige Sprachenpolitik ebenso wie in Südtirol, im Elsaß und in Lothringen wie im Habsburger Vielvölkerstaat.
Mit seinem Thema verbunden sind aber auch der Untergang des Deutschen als internationaler Wissenschaftssprache, ebenso wir die sprachpuristischen Ambitionen der Fremdwortverdeutscher. Die gibt es zwar schon seit dem 17. Jahrhundert, doch hat der Sprachpurismus als Fremdwortverdeutschung durch das nationalistische Klima in Kriegszeiten neue Nahrung gefunden.
In dem Matthias Heine diese – eigentlich verschiedenen – Aspekte unter einem Blickwinkel, der Frage nach den sprachlichen Auswirkungen des Ersten Weltkriegs betrachtet, erkennt er bisher meist nicht so klar gesehene Zusammenhänge, um die Stellung der deutschen Sprache in der Welt zu charakterisieren. Dennoch ist die Ausgangsthese ein wenig sehr zugespitzt.
Daß sich die deutsche Sprache durch den Ersten Weltkrieg unmittelbar verändert hat, betrifft wohl nur Einzelheiten und Randaspekte. Einige Wörter militärischer Herkunft sind durch die Militarisierung der Gesellschaft in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts haften geblieben wie Materialschlacht und Grabenkämpfe oder Dolchstoßlegende, die weiter metaphorisch gebraucht werden, geblieben ist auch das Verb robben. Auf die deutsche Schrift- und Umgangssprache haben die Entwicklungen in den Kolonien oder an den deutschen Sprachgrenzen in Europa insgesamt aber keinen so großen Einfluss genommen. Stärker dürfte der Sprachgebrauch vom Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg verändert worden sein. Die sprachlichen Folgen des Ersten Weltkriegs sind aber gewiss Teil einer längeren Umbruchsphase, die das Deutsche, insbesondere das bildungsbürgerliche Deutsch in der Nachfolge Goethes und Schiller zwischen 1914 und 1950 tiefgreifend umgeformt hat.
Fragt man also etwas allgemeiner, wie sich die deutsche Sprache und ihre Geltung in der Welt seit den Tagen des Ersten Weltkriegs verändert hat, dann gibt der Band eine Fülle treffender Hinweise und viele guten Anregungen. Die Lektüre ist daher unbedingt zu empfehlen.