Olympia. Archäologie eines Heiligtums

London 2012, die XXX. Olympiade. Erneut regte sich auch das öffentliche Interesse an dem antiken Ursprung der Spiele, die im Heiligtum von Olympia ausgetragen wurden. Helmut Kyrieleis, langjähriger Ausgräber des Heiligtums, führt den Leser mit 'Olympia. Archäologie eines Heiligtums' fachkundig durch diesen wichtigen Ort der Antike. Er vermerkt in seiner Einleitung, dass mit jeden Olympischen Spielen Bücher erscheinen, die sich vorwiegend überblicksartig dem Heiligtum und seiner Geschichte sowie den sportlichen Wettkämpfen zuwenden. Sein vorliegendes Werk hat jedoch den Anspruch, den Leser, sowohl den fortgeschrittenen, interessierten Laien als auch den Fachinternen, über die archäologischen Befunde an das Heiligtum heranzuführen und ihn somit unter anderem an der aktuellen Forschung teilhaben zulassen. Dieses Vorhaben wird durch die vielen, hochwertigen Abbildungen unterstützt. Im Klappentext wird zudem ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Autor sich um eine spannende Darstellung in verständlicher Sprache bemüht. Eine Zeittafel und ein kurzes Glossar am Ende des Bildbandes helfen bei der Orientierung.

Der Leser mag nun zumindest einen kurzen historischen Abriss sowie eine Vorstellung der in der Anlage befindlichen Bauten des Heiligtums erwarten. Doch bereits jetzt setzt Kyrieleis seinen formulierten Anspruch um, und versucht den Leser das olympische Heiligtum mit den Augen eines Archäologen betrachten zu lassen. Ihm war wichtig anzumerken, dass es hier nicht möglich ist, eine gesamtchronologische Betrachtung der Archäologie des Heiligtums vorzunehmen, sondern nur einen Zeitausschnitt von ca. 1500 Jahren. Zunächst wird kurz, aber prägnant die Forschungsgeschichte wiedergegeben. Darauf aufbauend skizziert der Autor die Entwicklung des Kultzentrums, bevor er auf die neusten Erkenntnisse hinsichtlich der Ursprünge des Heiligtums eingeht. Im Folgenden wird deutlich, worauf sich das Werk im Detail fokussiert: auf die Architektur Olympias sowie die Funde, die vor Ort gemacht wurden. Architektonisch sehr detailliert wird der Tempel des Zeus Olympios vorgestellt. Des Weiteren werden die Giebelskulpturen und Metopen, die, obwohl ehemals in viele Einzelteile zerbrochen und nun wieder soweit zusammengesetzt, einen sehr guten Eindruck von der Kunstfertigkeit der antiken Handwerker geben. Das leider nicht mehr erhaltene, chryselephantine (aus Gold und Elfenbein) Kultbild des Zeus Olympios des Phidias, das in der Antike zu den Sieben Weltwundern gehörte, wird in einem separaten Kapitel behandelt. Danach wendet sich Kyrieleis den weiteren Funden des olympischen Heiligtum zu: Es werden verschiedene Objekte aus Bronze oder Eisen vorgestellt, zumeist Votive (Weihgeschenke), aber auch Funde von Helmen, Rüstungen und Waffen. Sie verweisen auf den Brauch Waffen, die als Kriegsbeute mitgeführt worden waren, den Göttern zu weihen. Bei den unterschiedlichen Fundgruppen wird somit auch auf ihre sozio-kulturelle Bedeutung eingegangen. Dass Tempeldekor nicht nur aus Stein bestehen konnte, zeigen eindrucksvoll die sog. Terrakotta-Plastiken sowie die ebenfalls aus gebranntem Ton bestehenden Architekturteile. Daran schließen sich die Großplastiken aus Stein und Bronze an, z. B. der Hermes des Praxiteles aus dem Hera-Heiligtum von Olympia. Nach dieser Vorstellung des Heiligtums anhand archäologischer Befunde geht Kyrieleis auf die Bedeutung Olympias für die griechische Landschaft Elis, in der das Heiligtum liegt, und für das gesamte, antike Griechenland ein, was er anhand von Inschriften vorführt. Bevor der für das olympische Heiligtum sehr öffentlichkeitswirksame Aspekt der alle vier Jahre abgehaltenen Olympischen Spiele (der Begriff Olympiade bezeichnete ursprünglich den Zeitraum der vier Jahre, die zwischen den einzelnen Spielen lagen), den Band mit sehr ausgewählten Funden beschließt, werden auch die vom 'Festbetrieb' zeugenden Hinterlassenschaften noch betrachtet.

Dieser Bildband ist nicht einfach eine Folge eindrucksvoller Bilder, sondern eine fundierte, archäologische Präsentation eines geschichtsträchtigen Ortes. Kyrieleis berichtet dabei auch über die Probleme in den Anfängen der archäologischen Forschung oder bei der Aufarbeitung der Funde. Sicher kann hier nur ein Einblick gegeben werden, jedoch laden sowohl die ausgewählte Bibliographie als auch die in den umfangreichen Fußnoten erwähnten Werke zur Vertiefung der Erkundung des Heiligtums von Olympia ein, das heute dank des Einsatzes der Denkmalpflege wieder viel seiner Vergangenheit spüren lässt.