Die Frage nach dem Gebrauch des Deutschen und des Englischen als Wissenschaftssprachen im deutschen Sprachraum, aber auch in der Welt, beschäftigt die Germanistik seit nunmehr etwa einem Vierteljahrhundert. Dass diese Diskussion noch nicht zu Ende geführt ist, sondern weitere Einsichten und Denkanstöße zeitigt, belegt der vorliegende Sammelband, der auf ein Symposion am 15. und 16. Oktober 2009 an der Universität Bamberg zurückgeht, auf anspruchsvolle Weise.
Auf eine recht ausführliche Einleitung, die neben einer Vorstellung der einzelnen Beiträge (Wieland Eins) ein gleichermaßen differenziert wie engagiert vorgetragenes Plädoyer für den Gebrauch des Deutschen als Wissenschaftssprache (Helmut Glück) enthält, folgen zehn Beiträge sowie ein gemeinsames Literaturverzeichnis. Die Beiträge selbst lassen sich unschwer drei thematischen Gruppen zuordnen.
Die erste Gruppe umfasst Aufsätze, die der Geschichte des Gebrauchs von Einzel- als Wissenschaftssprachen gewidmet sind. Dabei geht es um die Entstehung lateinischer neben griechischer Wissenschaftssprachen in der Antike (Thomas Baier), die Entstehung von deutschen Wissenschaftssprachen im 17. Jh., mit der die lateinische Wissenschaftssprache als Lingua franca im deutschen Sprachraum nach und nach verdrängt wird (Wolf Peter Klein), den Verlust deutscher Wissenschaftssprachen an internationaler Bedeutung seit dem Ersten Weltkrieg (Roswitha Reinbothe) sowie dem verhältnismäßig geringen Erfolg frankophiler Bemühungen, das Französische als Wissenschaftssprache neben dem Englischen zu erhalten (Martin Haase). Die Beiträge erweisen sich von recht hoher Substanz, auch wenn sie in ihrer allgemeinen Anlage neben viel bereits Bekanntem nur wenig wirklich Neues zur Diskussion beitragen.
Die Aufsätze der zweiten Gruppe beschäftigen sich mit dem gegenwärtigen Status des Deutschen als Wissenschaftssprache und legen überzeugend dar, dass sich die deutsche Sprache in verschiedenen wissenschaftlichen Diskursen von unterschiedlicher Bedeutung als Wissenschaftssprache zeigt: Hiernach darf eine deutsche Wissenschaftssprache in solchen Disziplinen als gesichert gelten, die entweder in erheblichem Maße auf (mutter-)sprachliche Kompetenz der Forschenden angewiesen sind oder eine große Bedeutung als Angewandte Wissenschaft zeigen; das erste sei in der Philosophie (Pirmin Stekeler-Weithofer), das zweite in der Medizin (Christoph Baethge) der Fall. Demgegenüber habe das Deutsche insbesondere in solchen Disziplinen an wissenschaftssprachlicher Bedeutung verloren, die sich einer künstlichen Symbolik bedienen; hierzu zählen zum einen die Wirtschaftswissenschaften (Walter Krämer) und die (organische) Chemie (Henning Hopf). Dieser Befund ist insofern bemerkenswert, als hier nicht primär die (vermeintliche) Internationalität der englischen Sprache und der angloamerikanischen Forschung, sondern nichtsprachliche Kommunikationsgepflogenheiten für den nationalen und internationalen Status quo der Wissenschaftskommunikation verantwortlich gemacht werden.
Die letzten beiden Beiträge des Bands sind weniger einzelnen Wissenschaftssprachen als vielmehr so etwas wie Wissenschaftssprachlichkeit selbst gewidmet; dabei geht es um die Frage, welche einzelsprachlichen Strukturen in besonderer Weise geeignet erscheinen, wissenschaftliche Kommunikation zu führen. Diese sog. 'Volubilität' (S.125) sei hinsichtlich lexikalischer und grammatischer (typologischer) ' zu ergänzen wäre: textueller ' Strukturen einzelner Sprachen zu diskutieren und im Rahmen einer Komparatistik der Wissenschaftssprachen zu evaluieren (Konrad Ehlich). Eine entsprechende, hiervon jedoch unabhängige Charakterisierung findet sich in dem abschließenden Beitrag, in welchem dem Deutschen (noch immer) gute Eignung im Rahmen wissenschaftlicher Kommunikation attestiert wird (Peter Eisenberg).
Im Ganzen betrachtet, handelt es sich hier also um einen guten Sammelband, der insbesondere im Hinblick auf den gegenwärtigen Status verschiedener deutscher Wissenschaftssprachen und eine Evaluierung einzelsprachlicher Wissenschaftssprachlichkeit neue Beiträge zur Forschung leistet.