A Manual of Egyptian Pottery
Band 1: Fayum a - Lower Egyptian Culture, Band 2: Naqada III-Middle Kingdom, Band 3: Second Intermediate Period - Late Period, Band 4: Ptolemaic Period-Modern

Ein Handbuch zum Umgang mit keramischen Artefakten auf Ausgrabungen an archäologischen Stätten in Ägypten, das sowohl Studenten als auch erfahrenen Archäologen konkret bei der Bestimmung und Bearbeitung dieser umfangreichen und wichtigen Fundgattung eine Hilfe ist, fehlte bislang in der ägyptologischen Literatur. Diese Lücke schließt nun das vierbändige Werk von Dr. Anna Wodzińska, ihres Zeichens Mitarbeiterin am Archäologischen Institut der Universität Warschau und Leiterin der Arbeitsgruppe Keramik der AERA (Ancient Egypt Research Associates) Field School. Ursprünglich war es für den internen Gebrauch durch lokale Inspektoren in Ägypten gedacht, ist aber nunmehr für jedermann verfügbar. Die vier Bände erheben den Anspruch, alle Perioden der ägyptischen Geschichte abzudecken, in denen mit Keramikfunden zu rechnen ist, und müssen daher die außerordentlich lange Zeitspanne von etwa siebentausend Jahren umfassen. Das zeitliche Spektrum reicht von der neolithischen Stufe Fayum A (ca. 5300 ' 4200 v. Chr.) bis in die Neuzeit. Die Einbeziehung mittelalterlicher und neuzeitlicher Keramik ist durchaus sinnvoll, kommt sie doch an vielen Stätten mit älterem Fundmaterial vor und muss von diesem unterschieden werden, bzw. sagt etwas über eine rezentere Nutzung des Fundortes aus, was unter Umständen wichtig sein kann. Aus dem immensen Zeitraum ergibt sich verständlicherweise die Beschränkung auf eine Auswahl von vorgestellten keramischen Formen, worauf die Autorin auch schon im Vorwort hinweist (S. viii). Auch kann auf Veränderungen von Keramikformen im Laufe der Zeit und auf lokale Unterschiede nicht explizit eingegangen werden. Trotzdem findet sich in der katalogartigen Aufstellung der Keramiktypen immer noch eine Vielzahl von für die einzelnen Epochen typischen Stücken, die bei einer Einordnung von Funden durch Vergleiche helfen. Dennoch sei schon hier auf ein wesentliches Manko der Publikation hingewiesen: Zusammenfassende Typentafeln am Anfang jedes Kapitels, d.h. die zeichnerische Zusammenstellung von Idealtypen als typisch zu erwartende Keramikfunde, hätten viel zum Verständnis und zur schnellen Orientierung beigetragen. Eine rein textliche Beschreibung der Keramiktypen, die sich zu jedem Kapitelbeginn findet, ist in der vor allem visuell geprägten Archäologie einfach nicht ausreichend.
Jeder der vier Bände des Handbuches ist in acht bzw. neun Abschnitte (bei Band 1 und 2) unterteilt. Im Vorwort, das sich in jedem der vier Bände findet, betont die Autorin die auch von vielen anderen archäologischen Fundorten weltweit bekannte, sehr wichtige Tatsache, dass Keramik meist die umfangreichste Fundkategorie bildet und sich eine Keramikanalyse aufgrund der zu erwartenden Erkenntnisse immer lohne. Erfrischend ehrlich ist dabei ihre Einschätzung, dass diese Beschäftigung durchaus zeitraubend und schlichtweg langweilig sei. Trotzdem hat man bei der Lektüre des Handbuches immer den Eindruck, dass die Freude über die Ergebnisse doch die Oberhand gewonnen hat, was sich besonders in einer klaren, verständlichen Sprache ohne den Einsatz zu vieler technologischer Begriffe und einer erkennbaren Faszination der vielen Formen und Gestaltungsmöglichkeiten, die die ägyptische Keramik über die Jahrtausende erfahren hat, niederschlägt.

Positiv fällt außerdem auf, dass die ersten vier Abschnitte in jedem der einzelnen Bände gleich sind. So kann jeder Band praktischerweise für sich genutzt werden, was angesichts des zu erwartenden Gebrauchs vor Ort auf Ausgrabungen ein klarer Vorteil ist. Für den praktischen Nutzen spricht auch, dass parallel eine Ausgabe in Spiralbindung publiziert wurde. Diese ersten Abschnitte sind recht kurz, bieten aber gerade deshalb eine brauchbare Einführung für diejenigen, die sich schnell in die Arbeit mit Keramikfunden einlesen müssen. Abschnitt 1 führt in die Keramikherstellung ein, stellt für Ägypten typische Tonarten und ihre Verarbeitung sowie Methoden der Gefäßformung und der typischen Oberflächenbehandlung und der Verzierung vor. In Abschnitt 2 beschreibt Wodzińska das von ihr verwendete System der Klassifikation von Keramik bei Ausgrabungen, das eine Einteilung der zumeist nur als Scherben vorliegenden Gefäße nach ihrer ursprünglichen Form und darauf aufbauend die Entwicklung einer Typologie vorsieht. Schön und hilfreich sind hier viele schematische Zeichnungen zur Einteilung und Ansprache der Gefäßformen sowie Auszüge aus der AERA-Datenbank, die verdeutlichen, welche Daten in welcher Form sich sinnvollerweise für eine spätere Keramikauswertung zu erfassen lohnen. Abschnitt 3 ist wirklich nur eine rudimentäre Aussage darüber, wie mit den keramischen Artefakten nach der Ausgrabung verfahren werden sollte. Allerdings ist dieser Abschnitt ab Band 3 deutlich erweitert. Ab diesem Band findet sich nach Vorwort und Danksagungen auch eine Karte mit den im Katalogteil vorgestellten Fundorten, was auch für die anderen Bände sinnvoll gewesen wäre. Wieder hilfreicher für die Praxis ist Abschnitt 4, ein ausführliches Glossar zur Keramik, aufgeteilt beispielsweise nach den Themenbereichen Ton, Herstellung oder Oberflächenbehandlung. Daran schließt sich eine kurze Bibliographie zur Einführung und eine längere zu Keramik allgemein an, die ebenfalls in allen vier Bänden gleich sind und einen hohen Nutzwert haben.

Die anderen vier Abschnitte unterscheiden sich je nach Band natürlich anhand ihres Inhalts, aber die allgemeine Form ist gleich und trägt so zu einem übersichtlichen Eindruck bei. Zunächst trifft man dort auf Beschreibungen der für die Zeit typischerweise verwendeten Tone nach dem international anerkannten Wiener Klassifikationssystem für altägyptische Keramik. Dann folgt der Hauptteil, ein ausführlicher Katalog der Hauptkeramikformen, mit denen sich die Ausgräber und Bearbeiter in den betreffenden Perioden beschäftigen müssen. Zu Beginn eines jeden Abschnitts dieses Teils, der jeweils eine Keramikkultur in chronologischer Reihenfolge vorstellt, wird diese anhand der stets gleichen Kategorien beschrieben: Fundort, Tonmaterial, Herstellung, Oberfläche, Typen und einer Kurzbibliographie. Im Katalog selbst sind die Haupttypen der Keramik anhand ihrer Form zusammengefasst. Sie werden in einer Zeichnung sowie einer kurzen Beschreibung präsentiert, die Kategorien wie die geographische Herkunft, Maße, Tonmaterial, Herstellungstechniken, Oberflächenbehandlung, Datierung und eine Bibliographie beinhaltet. Jeden Band des Handbuches beschließt je ein Kapitel mit einer spezifischen Bibliographie zum vorgestellten Zeitraum und eines mit Farbtafeln der typischsten Keramikformen. Letztere sind in archäologischer Literatur zum Thema Keramik nicht unbedingt üblich, hier aber sehr sinnvoll, um einen besseren Eindruck z.B. vom Farbreichtum ägyptischer Keramik oder der Struktur der Gefäße zu vermitteln. Ein Desiderat wäre hier eine zahlenmäßige Erweiterung der abgebildeten Gefäße, allein um den vielen lokalen und chronologisch relevanten Varianten z.B. bei der Oberflächenbehandlung gerecht zu werden, die sich durch beschreibende Vorstellung allein nicht so deutlich erschließen lassen.

Insgesamt überzeugen die vier Bände dieses Handbuches als erste Referenz für die Beschäftigung mit keramischen Funden bei Ausgrabungen und deren Auswertung. Sie lassen sich auch ohne besondere Vorkenntnisse auf dem Gebiet der Keramikbearbeitung nutzen und bieten durch umfangreiche Bibliographien genug Anregungen für weitere, tiefergehende Studien zur ägyptischen Keramik oder zur Beschäftigung mit Keramik allgemein.
Eine zweite Auflage des Handbuches mit einer erweiterten Einführung und Zusatzmaterial der ersten beiden Bände wurde ab 2010 online veröffentlicht, ebenso unverändert die Bände 3 und 4:
http://www.aeraweb.org/wp-content/uploads/2011/07/revised_vol1_WEB.pdf
http://www.aeraweb.org/wp-content/uploads/2011/07/revised_vol2_WEB.pdf
http://www.aeraweb.org/wp-content/uploads/2011/07/vol3_for_web.pdf
http://www.aeraweb.org/wp-content/uploads/2011/07/vol4_for_web.pdf