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The Medieval Chastity Belt - WLA-Online - Wissenschaftlicher Literaturanzeiger
The Medieval Chastity Belt
A Myth-Making Process

Keuschheitsgürtel gelten gemeinhin als eines jener merkwürdigen Phänomene der Epoche, die wir als 'Mittelalter' bezeichnen. Diese metallenen, mit einem Schloss versehenen Gürtel wurden angeblich Frauen von ihren Ehemännern angelegt, wenn sie für längere Zeit abwesend waren, um sie so am Geschlechtsverkehr mit anderen Männern zu hindern. Solche Gürtel sollen seit der Zeit der Kreuzzüge in Gebrauch gewesen sein. So steht es sogar im Brockhaus.
Wie so manche andere Annahme über das 'finstere Mittelalter' ist jedoch auch der Keuschheitsgürtel eine Phantasie späterer Jahrhunderte und entbehrt trotz einzelner, im 16. Jahrhundert 'nachgebauter' Exemplare in europäischen Museen jeder Grundlage in der Realität. Keuschheitsgürtel sind eine Fiktion, die sich wohl nicht zuletzt deshalb bis heute erhalten hat, weil das skurrile Accessoire sexuelle Phantasien beflügelt.
Albrecht Classens Studie zeigt auf faszinierende Weise, wie der Keuschheitsgürtel 'erfunden' wurde und zu einem festen Bestandteil des Fundus' an Mittelalter-Klischees werden konnte. Classen bietet keine Realien-, sondern eine Diskursgeschichte.
Die mittelalterlichen Theologen kannten das 'cingulum castitatis' nur in allegorischer Bedeutung zur Umschreibung des Ideals jungfräulicher Reinheit. Zu einer wissenschaftlich bestätigten Tatsache wurde der Keuschheitsgürtel erst seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Viele Historiker gingen von der Existenz solcher Vorrichtungen aus und versuchten ihre Annahme durch Belege aus Kunst, Literatur und Völkerkunde zu erhärten. Classen zeigt, dass fast jeder ihrer Beweise bei näherem Hinsehen höchst zweifelhaft ist und eine sorgfältigere Quellenanalyse hier viele Fehleinschätzungen verhindert hätte. Auch in Lexika wie dem berühmten 'Zedler' oder vielgelesenen Handbüchern wurde das Thema als historisches Faktum behandelt. Die Autoren griffen dabei immer wieder auf die gleichen Quellen zurück, ohne deren Aussagekraft jemals grundsätzlich in Frage zu stellen. Classen geht alle einschlägigen Referenzwerke des 19. und 20. Jahrhunderts durch und beschreibt detailliert ihren jeweiligen Beitrag zur Herausbildung des Mythos. Aus dem 16. Jahrhundert sind z. B. zahlreiche Holzschnitte und Kupferstiche überliefert, die Keuschheitsgürtel zeigen, zumeist allerdings in satirischer oder metaphorischer Funktion. Sie zeigen letztlich nur, dass das Motiv bekannt war und künstlerisch verwertet wurde, beweisen aber keineswegs die reale Existenz des Objekts. Auffällig ist, dass viele frühneuzeitliche Lexika und Chroniken, die sexuellen Themen ansonsten durchaus breiten Raum geben, den Keuschheitsgürtel mit keinem Wort erwähnen. Es waren vor allem die Literaten des 18. Jahrhunderts, die das Motiv als erotische Würze in ihren Dichtungen verarbeiteten. Classen findet den Keuschheitsgürtel in sexualwissenschaftlichen Handbüchern ebenso wie in aktuellen Kulturgeschichten. Die von ihm untersuchten literarischen Quellen reichen von den Dichtungen der Marie de France über den mittelhochdeutschen Minnesang und die altfranzösische Troubadour-Lyrik bis hin zum höfischen Roman, spätmittelalterlichen Handbüchern der Militär-Technik, italienischen Novellen des Trecento und walisischen Verserzählungen.
Classens Buch verweist den Keuschheitsgürtel endgültig ins Reich der Legende und demontiert alle wissenschaftlichen Beweise für seine Existenz im Mittelalter. Man schließt dieses Buch mit Staunen und Bewunderung. Classens Darstellung ist eine aus unzähligen Quellen gespeiste tour de force durch die Kulturgeschichte. Seine Perspektive ist eine internationale, und seine Ergebnisse sind jederzeit nachvollziehbar und einleuchtend. Sein Stil ist luzide und bei allem Engagement stets sachlich und ausgewogen. Freilich bleiben Wünsche offen. Die vielen zitierten ikonographischen Zeugnisse hätte man gerne auch als Abbildung gesehen, und nicht selten kommt es zu Redundanzen, weil zwangsläufig an den Quellen immer wieder die gleichen Fehldeutungen demonstriert werden. Eine systematische Straffung hätte dem Buch sicher gut getan. Insgesamt aber ist Classens Buch eine große Leistung. Seine Argumentation zeugt nicht nur von einer profunden Kenntnis des mehrsprachigen Quellenkorpus, sondern weist auch ein hohes methodisches Reflexionsniveau auf. Man kann sich nur wünschen, dass die internationale Mediävistik weitere Werke dieser Art hervorbringt, die im besten Sinne der wissenschaftlichen Aufklärung dienen.