Historische Sprachwissenschaft des Deutschen
Eine Einführung in die Prinzipien des Sprachwandels

Die vorliegende Einführung richtet sich, wie die Verfasserinnen im Vorwort deutlich machen, an Studierende höherer Semester, die sowohl linguistische Grundbegriffe kennen als auch ein Interesse an sprachhistorischen Fragen entwickelt haben und entsprechend dazu befähigt werden sollen, sich Forschungsliteratur eigenständig zu erschließen. 'Wissenschaft in journalistischer Häppchenform' (Vorwort) wollen die Verfasserinnen nicht bieten, sondern sprachgeschichtliche Fakten unter einer dezidiert theoretischen Perspektive aufbereiten, die dem Forschungsstand in den einzelnen Teilgebieten gerecht wird. Die Darstellung unterschiedlicher Formen sprachlicher Wandels wird entsprechend nicht nur von zentralen Erklärungsansätzen, sondern auch von verständnisfördernden Arbeitsaufgaben flankiert. Das Buch kann insgesamt als Zwischenglied zwischen sprachhistorischen Einführungsbüchern und vertiefender Forschungsliteratur zu Einzelthemen betrachtet werden.
In der Einleitung werden zunächst die mehrschichtige Struktur der Sprache sowie die Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte thematisiert. Dann erfolgt im ersten Teil (Kapitel zwei bis acht) zunächst ein Durchgang durch die einzelnen Formen sprachlichen Wandels (phonologischer, morphologischer, syntaktischer, semantischer, pragmatischer und graphematischer Wandel). Der zweite Teil des Buches (Kapitel neun bis zwölf) ist dem ebenübergreifenden Sprachwandel gewidmet. Besonders die Einleitung ist für das Verständnis der folgenden Kapitel wichtig, da die Verfasserinnen darauf aufmerksam machen, dass es 'den Sprachwandel an sich' nicht geben kann und sich je nach sprachlicher Ebene die Annahme unterschiedlicher Prinzipien anbietet. Die Verfasserinnen klammern zudem sowohl (vermeintlich) außersprachliche Faktoren als auch die textliche Ebene aus Platzgründen aus. Damit wird jedoch eine Reihe von Erklärungsansätzen aus der (historischen) Soziolinguistik, der Kommunikations- und Diskursgeschichte sowie in der Sprachbewusstseinsgeschichte ausgeschlossen bzw. nur kurz gestreift. Dieser Ausschluss schmälert die ansonsten hohe Qualität des Buches nur an solchen Stellen, an denen ein Rekurs bspw. auf die vitale Verzahnung von Begriffs- und Diskursgeschichte erwartbar gewesen wäre (bspw. beim lexikalischen und semantischen Wandel).
In allen Kapiteln wird versucht, jeweils zentrale Fachbegriffe einzuführen und Prinzipien für Wandelphänomene darzustellen. Dabei wird zumeist schnell ersichtlich, worin der Vorzug einer explikativen Zugangsweise liegt: Den Rezipienten wird ein Interpretationsrahmen (z.B. das Prinzip der Klammerung beim syntaktischen Wandel) gegeben, der es ermöglicht, scheinbar unverbundene Fakten miteinander in Beziehung zu setzen. Dem ehrgeizigen Ziel, so konzise wie nötig und so verständlich wie möglich zu schreiben, und dem damit verbundenen 'Übersetzungsprozess' werden die Verfasserinnen bis auf wenige Textstellen zumeist beeindruckend gerecht. Der Wunsch, den Reflexionsstand der Forschung darzustellen, führt bisweilen jedoch zu einer dichten Darstellungsweise. Teile des Kapitels zur Flexionsmorphologie (Kap. 3.1., S. 51-56) stellen selbst für motivierte Studierende eine Überforderung dar und können nur verstanden werden, wenn der Text gemeinsam mit der Seminarleiterin Schritt für Schritt erarbeitet wird (ich beziehe mich hier auf einschlägige Seminarerfahrungen).
Insgesamt liegt mit diesem Arbeitsbuch eine sinnvolle Ergänzung zu einschlägigen Einführungswerken vor, das den Vorzug besitzt, in unterschiedlichsten Seminarkontexten eingesetzt werden zu können, und das sicherlich bald zu den Standardlehrbüchern der historischen Sprachwissenschaft gerechnet werden wird.