Cultures in the Contact Zone
Ethnic Semiosis in Black British Literature

In den letzten Jahren ist eine Reihe von Monographien zur britischen multikulturellen Literatur, der sogenannten 'Black British Literature', veröffentlicht worden (u.a. Roy Sommers 'Fictions of Migration', 2001 und Mark Steins 'Black British Literature. Novels of Transformation, 2004), was auf die zunehmende Anerkennung der Bedeutung dieses Segments der britischen Literatur seitens der anglistischen Literaturwissenschaft verweist. Susanne Reichls Studie wählt einen Zugang zu den Romanen von in Großbritannien lebenden Schriftstellern asiatischer, karibischer oder afrikanischer Herkunft, der es erlaubt, sprachliche und allgemein semiotische Charakteristika dieses Bereichs der britischen Literatur in differenzierter Form herauszuarbeiten, und der es zugleich ermöglicht, die Besonderheiten des Rezeptionsprozesses von 'Black British novels' anhand eines semiotischen Modells nachvollziehbar zu machen. Die Studie gliedert sich in zwei große Teile: einen in mehrere Teilkapitel untergliederten theoretisch ausgerichteten Teil, in dem vor allem ein innovatives Instrumentarium für die Analyse von 'Black British Literature' entworfen wird, und einen zweiten Teil mit Einzelinterpretationen literarischer Texte, in denen dieses Analyseinstrumentarium zur Anwendung gebracht wird.
Im ersten, theoretisch orientierten Teil liefert die Autorin zunächst eine konzise, sehr informative Einführung in die 'Black British Literature' und deren spezifische soziokulturelle Entstehungsbedingungen (S. 9-45), um sodann das Modell einer ‚ethnischen Semiose‘, das sie ihren Untersuchungen literarischer Texte im zweiten Teil der Studie zugrunde legt, zu entwickeln ('Ethnic Semiois ' A Model', S. 46-57; 'Ethnic Semiosis in Action', S. 58-111). Das Konzept der ethnischen Semiose, wie es Reichl verwendet, geht insbesondere auf William Boelhowers Studie 'Through a Glass Darkly: Ethnic Semiosis in American Literature' (1987) zurück. Zu den textuellen und paratextuellen Faktoren, die laut Reichl für eine ethnische Semiose relevant sind, zählen die Gestaltung des Buchcovers, die Eingangssätze literarischer Texte, die Namensgebung sowie schließlich verschiedene sprachliche Elemente (vor allem fremdsprachliche Einschübe, 'code-switching' und die Verwendung von nicht-standardsprachlichem Englisch). Die durch Textbeispiele anschaulich illustrierten Überlegungen zur ethnischen Semiose und ihren Bedingungen verweisen auf einen Aspekt der Rezeption von 'Black British Literature', der bislang noch zu wenig Beachtung gefunden hat.
Im zweiten großen Teil der Studie ('Ethnic Semiosis in Depth', S. 112-207) wird das Analysemodell der ethnischen Semiose zur Untersuchung von acht Romanen aus dem Zeitraum von 1956 bis 1999 herangezogen. Bei den untersuchten Romanen handelt es sich um Hanif Kureishis 'Intimacy', Diran Adebayos 'Some Kind of Black', Meera Syals 'Life Isn’t All Ha Ha Hee Hee' und 'Anita and Me', Ravinder Randhawas 'Hari-jan', Buchi Emechetas 'Second-Class Citizen', Timothy Mos 'Sour Sweet' und Samuel Selvons 'The Lonely Londoners' ' Romane, die sicherlich als repräsentativ für die 'Black British Literature' gelten können. In den Einzelinterpretationen stellt die Verfasserin die Leistungsfähigkeit des von ihr entwickelten Analyseinstrumentariums überzeugend unter Beweis. Ein wenig bedauerlich ist es, daß die einzelnen Analysekapitel lediglich nebeneinander gestellt werden, ohne daß zwischen den Einzelanalysen eine Progression ersichtlich würde. Der ein wenig additive Charakter des Analyseteils schmälert aber den großen theoretischen und methodischen Erkenntnisgewinn der Studie freilich nicht. Das von Reichl entwickelte Analyseinstrumentarium lässt sich mit großem Gewinn auf literarische Texte aus anderen interkulturellen und postkolonialen Literaturen übertragen.