Im Vergleich zur mexikanisch-amerikanischen (Chicano-) Literatur haben die Werke kubanisch-amerikanischer Autoren und Autorinnen bislang seitens der Literaturwissenschaft deutlich weniger Beachtung gefunden. Erst in den letzten Jahren zeichnet sich ein langsam zunehmender Trend zur Beschäftigung mit diesem Bereich der amerikanischen Literatur ab. Gerade auch in der deutschen Amerikanistik besteht bei der Auseinandersetzung mit kubanisch-amerikanischer Literatur jedoch noch ein erheblicher Nachholbedarf. Claudia Beiers überaus informative und anregende Studie 'Literarische Inszenierungen von Wertstrukturen und Wertkonflikten in zeitgenössischen kubanisch-amerikanischen Romanen' leistet einen wichtigen Beitrag dazu, diese Forschungslücke zu schließen.
Die Studie stellt aber nicht nur ' als eine der wenigen bisher zu diesem Bereich der Literatur existierenden Monographien ' einen zentralen Forschungsbeitrag zum kubanisch-amerikanischen Roman dar. Darüber hinaus liefert der Band in inhaltlicher wie auch in methodischer Hinsicht produktive Impulse für Arbeiten zu anderen interkulturellen (und auch postkolonialen) Literaturen. Durch die sinnvolle Fokussierung auf den Themenkomplex Wertstrukturen und Wertkonflikte erschließt die Verfasserin einen der zentralen Aspekte des kubanisch-amerikanischen Romans und bietet zugleich auch wertvolle Anregungen für Studien, die sich beispielsweise mit der mexikanisch-amerikanischen oder der chinesisch-amerikanischen Literatur auseinandersetzen. Vor allem die theoretischen Kapitel (S. 19-64) sind über den unmittelbaren Untersuchungsgegenstand hinaus von grundsätzlicher Relevanz für Arbeiten zu interkulturellen und postkolonialen Literaturen. Neben begriffstheoretischen Klärungen bieten diese Kapitel sehr überzeugende Überlegungen zum Zusammenhang zwischen Literatur und Fremdverstehen (S. 26-37) sowie ausführliche, ideenreiche Ausführungen zu 'Grundformen der literarischen Inszenierung von Wertstrukturen in Erzähltexten' (S. 38-64). Die Erläuterungen zu den verschiedenen literarischen Verfahren, mittels derer Wertstrukturen in Erzähltexten inszeniert und problematisiert werden können (u.a. Perspektivenstruktur und Sympathielenkung), stellen ebenfalls die Übertragbarkeit der Ergebnisse der Studie auf zahlreiche andere Literaturen unter Beweis. Zudem liefert die Verfasserin mit diesem Kapitel einen interessanten Beitrag zur Erzähltheorie, der vor allem im Kontext der gegenwärtigen Herausbildung einer postkolonialen Narratologie Beachtung finden sollten.
Mit den ausführlichen Analysen von nicht weniger als 14 Romanen (darunter neben den Werken von international so bekannten Autoren und Autorinnen wie Oscar Hijuelos und Cristina García auch Romane von weniger bekannten Schriftstellern) liefert der Band gewinnbringende und erkenntnisreiche Einzelstudien zu einem beachtlichen Korpus kubanisch-amerikanischer Literatur. Insgesamt stellt die Monographie eine äußerst anregende, ideen- und ergebnisreiche, aus literatur- und kulturwissenschaftlicher Sicht gleichermaßen relevante Untersuchung dar. Sie kann nicht nur allen, die sich für kubanisch-amerikanische Literatur interessieren, wärmstens empfohlen werden, sondern beinhaltet darüber hinaus auch für interkulturelle und postkoloniale Studien generell wichtige Anstöße. Der einzige Wermutstropfen besteht darin, daß eine recht große Zahl von Tipp- und Formatierungsfehlern auffällt, was freilich dem Vergnügen, mit dem man die Studie liest, keinen Abbruch tut.