Böse Frauen - Gute Frauen
Darstellungskonventionen in Texten und Bildern des Mittelalters und der Frühen Neuzeit

Geschlechterverhältnisse und Geschlechterdarstellung gehören schon seit geraumer Zeit zu den zentralen Themen der mediävistischen Literatur- und Kulturwissenschaft. Der von Ulrike Gaebel und Erika Kartschoke herausgegebene Sammelband beeindruckt durch die große Breite im Hinblick auf die literarischen Texte und Bildmedien aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit, die in den Beiträgen Berücksichtigung finden. Die äußerst informativen und überzeugenden Einzelinterpretationen ergänzen sich zu einer der bislang wohl umfassendsten Untersuchungen zur Frauendarstellung in deutschsprachiger Literatur in Mittelalter und Früher Neuzeit sowie in Bildern aus dieser Zeit.
Anstelle einer ausführlichen Würdigung der 17, durchgängig außerordentlich lesenswerten und erkenntnisreichen Beiträge des Bandes seien zumindest stichwortartig die inhaltlichen Schwerpunkte der einzelnen Artikel vorgestellt, um so einen Eindruck vom breiten Spektrum des Bandes zu vermitteln. Die Artikel haben folgende inhaltlichen Schwerpunkte: das Frauenbild im Liedtypus der ‚Absage‘ im Minnesang (Harald Haferland); die Frauenfiguren Gyburc und Alyze in Wolframs 'Willehalm' (Hubertus Fischer); die Cundrie-Figur in Wolframs 'Parzival' (Dorothea Böhland); die unterschiedlichen weiblichen Figuren in Johann Hartliebs 'Alexanderroman' (Ralf Schlechtweg-Jahn); Sexualität und Körperkonzepte in vier mittelalterlichen Mären (Ute von Bloh); die Figur der Batseba in Literatur und Kunst des Mittelalters (Edith Wenzel); Lucretia in der Kunst des Mittelalters und der Frühen Neuzeit (Karin Hanika); die Figur der Judith in frühneuzeitlichen bildlichen Darstellungen aus den Niederlanden (Birgit Franke/Barbara Wenzel); die ‚bärtige Heilige‘ Wilgefortis in Legenden und Bildzeugnissen (Britta-Juliane Kruse); Geschlechtervorstellungen in frühneuzeitlichen Totentanzdarstellungen (Christian Kiening); die Figur der ‚Hausmaid im Pflug‘ in einem fastnächtlichen Rügebrauch und in literarischen Texten (Hedda Ragotzky); das Motiv des Bündnisses zwischen dem Teufel und einer alten Frau in Fastnachts- und Hochzeitsspielen aus dem 16. Jahrhundert (Walter Behrendt/Eva Hauck); die Darstellung des weiblichen Körpers in Johan Fischarts 'Floeh Haz/Weiber Traz' (Hans-Jürgen Bachorski); Geschlechterrollen in der 'Zimmerischen Chronik' aus der Mitte des 16. Jahrhunderts (Gerhard Wolf); Frauenfiguren im mittelniederländischen 'Limburg'-Roman und die Kommentierung der Frauenfiguren in der hochdeutschen Übertragung durch Johann von Soest (Erika Kartschoke); die Rede von Frauen in frühneuzeitlichen Ehe- und Zuchtdialogen (Ulrike Gaebel); weibliche Stimmen und fingierter Sprecherwechsel in frühneuhochdeutschen Prosatexten (Helmut Puff).
Die Beiträge überzeugen durchgängig durch ihre literatur- und kulturwissenschaftliche Fundierung und durch die Anschaulichkeit der Darstellung. Sie beschäftigen sich gerade auch mit solchen Frauendarstellungen, die geeignet sind, die im Titel aufgerufene Dichotomie ‚böse Frauen ' gute Frauen‘ in der einen oder anderen Weise zu unterlaufen, und entwerfen damit ein facettenreiches und heterogenes Bild der Frauendarstellung in unterschiedlichen literarischen Gattungen und in den Bildmedien, wobei, dem Untertitel des Bandes entsprechend, durchgängig die jeweils spezifischen Darstellungskonventionen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Frauendarstellung befragt werden. Viele der Beiträge bemühen sich zudem insbesondere um eine historische Kontextualisierung, indem sie auf die spezifischen Gebrauchskontexte der Werke eingehen.
Fazit: Der äußerst interessante und inspirierende Band stellt einen wichtigen Beitrag zur Literatur- und Kulturgeschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit aus der Perspektive der 'Gender Studies' dar, dessen Lektüre großes Vergnügen bereitet. Er kann allen, die sich für Frauendarstellung in Mittelalter und früher Neuzeit interessieren, wärmstens zur Lektüre empfohlen werden.