Ein Tagebuch in Form eines täglichen Bildberichts (vgl. S. 387) hat Marc-Antoine Fehr im Jahr 2000 zusammengestellt, das drei Jahre später nun als Katalogband erhältlich ist. 366 Bilder, durchweg querformatig und für die Publikation geringfügig verkleinert, zumeist Wasserfarbenarbeiten (einige wenige Zeichnungen wie z.B. 28.VI. oder 5.XI. durchbrechen diesen Modus), oftmals darstellende Inhalte, auf unterschiedliches Papier gemalt (wie Paul Tanner erläutert und man es dank der hervorragenden Druckqualität leicht erkennen kann), gehören diesem umfangreichen Bilderzyklus an.
Die Idee zu diesem 'malerischen' Tagebuch aus Pressy verschweigt der Band. Tanners (dreisprachiges) kurzes Nachwort beschränkt sich auf weniges Detailreiches zu den Arbeiten und sucht vordergründig nach stilistischen und maltechnischen Vergleichen. Der Leser stößt dabei auf ein reichhaltiges, künstlerisches ¼vre und eine vielfältige Themenwahl, die nur kurz angeschnitten werden kann, für die Darstellung der Publikation aber unerläßlich ist: Portraitstudien durchziehen alle Monate des Buches, ebenso Variationen eines Themas (z.B. Kopfpräsentation 2.V., 4.V., 18.V., 19.V., 21.V., 22.V.), Orts- und Landschaftsansichten (17.-24.II., 20.-30.IV., 16.V., 12.IX., z.T. als Studien), mit Beginn des Juli eine Reihe von Bildern mit erotischen Motiven, literarische Themen und Szenen sowie Abstraktes.
Deutlich wird besonders in den späteren Arbeiten des Jahres das 'Element des Phantastischen' (S. 389), das Tanner sicher zu Recht in der französischen Kunst sucht, jedoch ohne deren expressive Farbgebung. Es scheint, das Talent von Großvater Charles Clément hat sich auf den figurativen 'Künstler in dritter Generation' (S. 392) übertragen.
Der Band vermittelt einen ungefilterten Eindruck von der Arbeit und Arbeitsweise des Künstlers. Manchmal auf der Suche nach einem Motiv, dann wiederum in Erstellung eines Zyklus, völlig zusammenhanglos Vorstudien zu Bildern außerhalb des 'Tagebuchs', ist diese Kompilation in ihrer kreativen Sprunghaftigkeit ganz nahe am Entstehungsprozeß. Hier entfaltet sich Fehrs ganzer Ideen- und Bildreichtum, der im abschließenden Werk mehrere Vorstudien nachvollziehen läßt, es fokussiert, es auf den Punkt zuspitzt (z.B. 27.-31.VII.). Das Detail wird durch schemenhafte Bewegung abgelöst, wodurch die Malerei Dynamik gewinnt, Bewegtheit durch fließende Übergänge erzeugt wird (z.B. 7.IV. oder 3.V.), Plastizität durch vorsichtige Akzentuierung innerhalb der Motive geschaffen wird (z.B. 12.IV. oder 12.IX.). Daß sich mit dem Verlag Schwabe ein renommierter und erfahrener Verleger dieser Arbeiten angenommen hat, wird in der ausgezeichneten Wiedergabe der Bilder auf jeder Seite wie auch in der sonstigen Verarbeitung deutlich und macht den besonders großen wie bleibenden Wert des Journal de Pressy von Marc-Antoine Fehr aus.