Heilige Pracht
Die schönsten Bibeln des Mittelalters

Bertolt Brecht (1898-1956), nach seinem Lieblingsbuch gefragt, antwortete: „Sie werden lachen – die Bibel.“ Und fast möchte man meinen, Brecht habe seine Feststellung nach der Lektüre eben jenes neu erschienen Buches Heilige Pracht gemacht. Denn der Untertitel „Die schönsten Bibeln des Mittelalters“ verspricht nicht zu viel.

Der großformatige Band ist ansprechend gestaltet, und so wird nicht nur die Lektüre zu einer wahren Freude. Halbleinen und schweres Papier mit einem hervorragenden Druck lassen das Blättern im Buch zu einem haptischen und visuellen Erlebnis werden. Insgesamt sind 45 Bibeln aus dem 5. bis 17. Jahrhundert hierin aufgenommen, die jeweils auf mehreren Seiten wiedergegeben sind. Abgedruckt sind lateinische wie byzantinische Handschriften, verzierte Buchstabenschriften und elaborierte Bildzyklen. Gelegentlich finden sich auch kunstvoll gearbeitete Bucheinbände.

Eine ausführliche wie hilfreiche Einführung macht den Leser mit den verschiedenen Objekten, ihren Inhalten und den unterschiedlichen Ausführungen vertraut; wie z. B. der Bibelkanon entstand, der Wechsel des Beschreibmaterials von der Papyrusrolle hin zum gebundenen Buch und daran angeschlossen dessen Verwendung im Gottesdienst. Die wiedergegebenen Manuskripte werden katalogartig mit den wichtigsten Daten wie Herkunft, Datierung, Größe und Inventarnummer vorgestellt und mit einem mehrseitigen Kommentar zu Geschichte, Funktion der Texte und Bibelbezügen näher erläutert. Jedem dazugehörigen Bild ist in der Unterschrift zusätzlich eine kurze Beschreibung an die Seite gestellt. Eine knappe Bibliografie ist jedem Bibelabdruck beigegeben, eine Liste mit weiterführender Literatur steht am Ende des Bandes (S. 331). Ein Handschriften- sowie ein Personen- und Sachverzeichnis erleichtern die Suche nach einem bestimmten Sachverhalt.

Beliebte Objekte in den Darstellungen sind Personen des Alten und Neuen Testaments wie Noah (S. 93), Moses (S. 66), David (S. 45,70, 106f., 154) oder Adam und Eva (S. 63, 205, 231) sowie Jesus Christus (S. 64, 105, 127, 137, 167, 184, 189, 193, 224, 252, 255, 286, 305, 319, 327), Evangelisten (S. 51, 52, 61, 75, 76, 78, 81f., 99, 119, 139, 140, 141, 165, 175, 181, 190, 233, 248f., 254, 259, 309), Engel und Teufel (S. 155, 159, 200, 202, 217, 225), Tiere und Pflanzen (S. 187, 245) sowie Herrscher (S. 69, 251), Heilige (S. 71, 161, 205, 211, 281, 283ff.) und Fabelwesen (S. 199, 228). Und eben auch die Details wie Herrschaftsinsignien, Symbole, Kleidung, Schmuck und Waffen sind in größter Sorgfalt wiedergegeben worden. Im Stile der Zeit sind die Figuren mal majestätisch, mal bewegt getroffen, schafft Staffelung große Raumtiefe und Reihung eine betäubende Statik. Besonders die in die Texte eingearbeiteten Miniaturen zeugen von der Qualität der Bücher und von dem spielerischen Einfallsreichtum der Künstler.

Scot McKendrick hat sich bereits durch durch mehrere thematisch verwandte Publikationen einen Namen gemacht. In der British Library leitet er zudem die Sammlung der westeuropäischen Handschriften. Seine Kollegin Kathleen Doyle hat bereits mehrfach mit ihm zusammengearbeitet. Diese gemeinsamen Projekte haben die Auswahl der hier vorgestellten Manuskripte nachhaltig beeinflusst. Ihnen ist es zu verdanken, dass so Bibeln aus Äthiopien, Byzanz und Syrien - neben den europäischen Handschriften - Eingang in diesen Prachtband gefunden haben. Beiden Autoren ist es gelungen, eine maßvolle Ausgewogenheit zwischen fachlicher und sachlicher Beschreibung zu finden, die es dem interessierten Leser der Handschriften wie auch dem lustvollen Beschauer der Miniaturen möglich macht, die Heilige Pracht mit Freude und Gewinn sein Eigen zu nennen.