Seit fast 50 Jahren wird versucht, dem Boden im Siedlungsbereich der einstigen Keltenmetropole von Manching bei Ingolstadt, einer der größten prähistorischen Anlagen in Europa, möglichst viele Zeugnisse des frühen städtischen Lebens zu entlocken. Dies ist bei einer potentiell zu untersuchenden Fläche von fast 400 Hektar, die zudem nicht vollständig zugänglich ist, ein äußerst schwieriges Unterfangen. Aber selbst die im Vergleich zum Gesamtareal der einstigen Besiedlung punktuell geöffneten Flächen geben wertvolle Informationen zu Aufstieg und Fall des Oppidums Manching preis. Manching dient dabei als eine der am besten erforschten keltischen Städte Europas gewissermaßen als Prototyp bei der Beurteilung anderer keltischer Oppida. Jede Beschäftigung mit der Latènezeit in Mitteleuropa bedient sich zwangsläufig Erkenntnissen, die in Manching gewonnen wurden.
Bislang kann die Manchingforschung, wie auch der ausführlichen Bibliographie der zu besprechenden Publikation zu entnehmen, eine Vielzahl von Veröffentlichungen zu den verschiedensten Aspekten des Stadtlebens vorweisen. Eine knappe, auch den Laien ansprechende Einführung in Geschichte und Kultur dieser wichtigen vorgeschichtlichen Hinterlassenschaft war bislang ein Desiderat, das glücklicherweise nun vorgelegt wurde. Für diese Aufgabe ist Susanne Sievers, die seit 1984 an den Forschungen beteiligt war und die Ausgrabungen seit 1994 leitet, geradezu prädestiniert. Sie nutzte das Ende einer mehrjährigen Grabungskampagne in Zusammenhang mit einer Fachtagung in Ingolstadt und die Aussicht auf die Errichtung eines Keltisch-Römischen Museums in Manching, um einen Schnitt zu machen, die bisher bekannten Daten über die Keltenstadt knapp und aktuell zusammenzufassen. Weitere Grabungen werden sicher neue Erkenntnisse bringen und das Bild ergänzen und revidieren ' das bekannte Phänomen in der Archäologie.
Das Werk beginnt mit der ausführlichen Darstellung der langen Forschungsgeschichte von Manching, ohne die viele Interpretationen zur Stadtgeschichte schwer zu verstehen wären. Danach beschreibt die Autorin die Topographie von Manching und die zahlreichen Vorteile, die sich aus der Anlage einer Stadt gerade mitten im Ingolstädter Becken auf einer Niederterrasse des Donautals ergaben. Manching lag, anders als die meisten keltischen Oppida nicht auf einem Bergplateau, sondern in der Ebene, verkehrsgeographisch geradezu ideal an der Schnittstelle verschiedener Handelswege zu Wasser und zu Lande und bot zudem gute bauliche Voraussetzungen zum Betrieb eines Hafens. Außerdem war die Stadt durch die sie umgebenden Flüsse und Moore natürlich geschützt. Diese Voraussetzungen begünstigten den Aufstieg der Stadt als Handelszentrum im 3. und 2. Jahrhundert v.Chr. Sievers beschreibt hier anschaulich viele verschiedene Lebensbereiche in der Stadt, so z.B. die einzelnen bekannten Handwerks- und Handelszweige, die Art der Häuser und Straßen, die man heute den freigelegten Bebauungsresten ablesen kann, oder weiterreichende soziologische und religiöse Interpretationen, die meist auf interessanten Einzelfunden wie dem berühmten vergoldeten Kultbäumchen fußen. Besondere Aufmerksamkeit erhielt sodann die Vorstellung der Befestigungsanlagen von Manching, der Stadtmauer und der Tore ' schließlich hatten sich große Teile der Befestigungswälle bis in die heutige Zeit als einzige sichtbare obertägige Spuren der Stadt in der Landschaft erhalten. Außerdem signalisiert die Anlage einer ausgeprägten Befestigung eine Reaktion auf die politischen und soziologischen Veränderungen am Ende des 2. Jahrhunderts v.Chr. (Stichwort Germaneneinfälle). Ein weiterer großer Abschnitt der Publikation ist der Entwicklung Manchings als ausgeprägtem Oppidum und den sich daraus ergebenden baulichen und religiösen Veränderungen vom Ende des 2. bis zur Mitte des 1. Jahrhunderts v.Chr. gewidmet. Den Abschluß bildet die Schilderung des Niedergangs und Endes von Manching, das bis heute nicht vollständig geklärt ist. Es schließen sich danach Untersuchungen zur Umgebung der Stadt an, was eine neuere Tendenz in der Archäologie widerspiegelt, prähistorische Monumente auch im Zusammenhang mit der sie umgebenden Kulturlandschaft zu betrachten. Ein Ausblick auf die Römerzeit, praktische Hinweise für Besucher von Manching und eine ausführliche wissenschaftliche Bibliographie runden diesen archäologischen Führer ab. Dieser kann sowohl für eine Erstinformation als auch für das Auffrischen des neuesten Forschungsstandes über diese frühe Stadt in Süddeutschland empfohlen werden. Er ist leicht verständlich und lebendig geschrieben; viele Abbildungen und Rekonstruktionen, die meisten davon in Farbe, erhöhen das Lesevergnügen.