Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte

Die Religion und vor allem die ikonographische Ausdrucksweise ägyptischer Darstellungen von Göttern faszinierte im Positiven wie Negativen schon immer die Menschen anderer Kulturen. Beginnend mit der Bewunderung ägyptischer Kultur durch das antike Griechenland ist bis heute kein Ende abzusehen. Als eindrucksvolle Zeugnisse seien nur die vielen bebilderten Kataloghandbücher zur europäischen Ägyptomanie der vergangenen Jahrhunderte erwähnt. So blieb und bleibt die ägyptische Religion und ihre gestalterische Ausdrucksweise für viele rätselhaft oder auch abstoßend: Hundsköpfige Götter, Tierverehrung und gottgleiche Pharaonen ' alles dem christlich-abendländischen Denken völlig fremde Vorstellungen, die sich ohne Beschäftigung mit dieser Kultur nicht erschließen.
Das Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte bietet hier jedem Interessierten und Ägyptentouristen einen guten und umfassenden Einstieg in die religiösen Vorstellungen und Erscheinungsformen des pharaonischen Ägypten. Natürlich darf man auf 883 Seiten keine umfassende Darstellung der über vier Jahrtausende währenden und sich unentwegt fortentwickelnden ägyptischen Religionsgeschichte erwarten, dennoch sind die wichtigsten Punkte zum Verständnis der ägyptischen Kultur und Weltanschauung enthalten. Unter den einzelnen Stichworten werden alle wichtigen Gottheiten mitsamt ihrer Erscheinungsweise, ihrem Aufgabengebiet, ihrer sozialen Verflechtung mit anderen göttlichen Wesen abgehandelt und meist mit kleinen Skizzen zum Erscheingungsbild illustriert. Andere Einträge beschäftigen sich mit Realien, die bei religiösen Zeremonien (Götterkult, Ahnenkult, Bestattungswesen) Verwendung finden oder oft als Beigaben in Gräbern niedergelegt wurden. Dort standen sie den Toten zur Benutzung im jenseitigen Leben zur Verfügung, für das die Ägypter beständig duch den Bau großartiger Monumente Sorge trugen. Ebenso sind weltanschauliche Begrifflichkeiten als Lemmata aufgenommen worden. Man erfährt zum Beispiel etwas über Frömmigkeit, Mysterien und den Weltbeginn. Solche Kenntnisse verdanken wir selbstverständlich den berühmten ägyptischen Texten zu religiösen Vorstellungen: z.B. den Pyramiden- und Sargtexten sowie dem Totenbuch und den Unterweltsbüchern. Auch hierzu finden sich Einträge im Reallexikon.
Etwas bedauerlich bleibt, daß es sich um einen unveränderten Nachdruck der ersten Auflage von 1952 handelt ' unschwer auch an der blumigen Sprache Bonnets zu erkennen ' und somit ohne neuere Literatur oder weiterführende, aktuelle Literaturhinweise. Daher kann das Reallexikon zwar immer als erster Einstieg dienen, dann heißt es aber, sich dem großen Lexikon der Ägyptologie und neueren Einzeluntersuchungen zu Göttern und Fachaufsätzen in verschiedenen Zeitschriften zuzuwenden. Es bedarf keines Fachgelehrten, um zu vermuten, daß der Forschungsstand seit den 50er Jahren besser geworden ist und sich die opinio communis zu einigen Stichworten geändert hat. Trotzdem ist die Anschaffung dieses Reallexikon keineswegs unnütz, da bisher kein neueres Lexikon zu dieser Thematik auf den Markt kam. Auch in der Ägyptologie ist das Reallexikon von Bonnet nach wie vor ein frequentiertes Standartwerk und Hilfsmittel. Denn die ägyptische Religion wurde in den Jahrzehnten intensiver Forschungsarbeit nach Erscheinen der Erstauflage eher komplexer, als daß ihre 'Rätsel' einer Lösung näher gebracht wurden.