Europäisches Obligationenrecht

Bei aller Nationalstaatlichkeit wagen immer mehr Juristen den Blick über den Grenzzaun. Die Globalisierung von Wirtschaft und Kultur macht es notwendig, auch in der Jurisprudenz die gemeinsamen Quellen etwa für das europäische Recht wieder zu entdecken. Ausgangspunkt waren und sind die berühmten Abhandlungen von Reinhard Zimmermann, die europaweit zu einer Welle neuer Lehrbücher zum europäischen Zivilrecht geführt haben. In dieser Lektion reiht sich nun auch Filippo Ranieri (Universität Saarbrücken) ein. Sein neues Lehr- und Textbuch zum europäischen Schuldrecht wurde von einer Juristen-Jury zu einem der lesenswertesten Bücher des Jahres 2000 erklärt. In der Tat bringt Ranieri für den Leser in allgemeinverständlicher Weise die römisch-rechtlichen Wurzeln der europäischen Rechtskultur zusammen mit den Spezifika kontinentaleuropäischer Zivilgesetzbücher und dem englischen Common-Law. Dabei muß Ranieri natürlich thematisch auswählen, um den Rahmen des Lehrbuchs nicht zu sprengen. Im Vordergrund seiner Überlegungen stehen allgemeine Vorfragen des Vertragsrechts, etwa die Vertragsschlußproblematik, die Struktur des Deliktsrechts, die Gewährleistung, die Geschäftsführung ohne Auftrag und die richterliche Kontrolle der Rechtsausübung über den Grundsatz von Treue und Glauben. Ausführlich werden die jeweiligen Rechtsquellen in einzelnen Staaten geschildert, wobei die Palette vom skandinavischen Recht bis zum Zivilgesetzbuch Portugals reicht. Durch diese enzyklopädische Darstellung gelingt Ranieri eine faszinierende Sichtweise auf gemeinschaftliche Strukturen des europäischen Zivilrechts, die unbedingt in weiteren Lehr- und Textbüchern verfolgt werden sollte. Das ganze ist allerdings für den Studierenden sehr anspruchsvoll. Insbesondere bleiben die meisten Belege in der jeweiligen Originalsprache, so daß von dem Leser schon sehr umfassende Sprachkenntnisse erwartet werden. Nichts desto weniger lohnt sich das Lehrbuch für eine Anschaffung bei allen, die über den stumpfen Blick auf das nationale Recht hinaus die Ideenvielfalt des europäischen Zivilrechts kennenlernen wollen.