Rousseaus Garten
Le jardin de Rousseau

Jean-Jacques Rousseau hat, so kann man übertreibend sagen, die Kindheit erfunden und die Landschaft, die Kindheit als Idylle und die Landschaft als Seelenzustand. Wenn andere schon vor ihm davon sprachen, so tat dies doch keiner so beredt, so emphatisch wie er, sei es in den Confessions, sei es in den gleichfalls autobiographischen Rêveries du promeneur solitaire; war es dort der Lac Leman und das Valais, so ist es hier die St. Petersinsel im Bielersee, die er erinnernd mit den Farben des Glückes überzieht.
In einer überaus geschmackvoll aufbereiteten französisch-deutschen Ausgabe wird der Garten, dieser Fluchtpunkt des eher von seinen Einbildungen als von seinen wirklichen Feinden verfolgten Jean-Jacques, als ein Dokument der Kulturgeschichte vergegenwärtigt, was sich nur dadurch rechtfertigt, daß auch die Legendenbildung und Nachwirkung bis in den Tourismus hinein einbezogen wird. So werden hier Ankunft und Aufenthalt Rousseaus nachgezeichnet wie die anschließend aufgekommene Mode mit den dazugehörigen Wallfahrten und vielfältigen Schwärmereien. Dann ist auch von den literarischen Nachbildern und der Vergegenwärtigung in Malerei und Kleinbildindustrie die Rede. Schließlich wird der berühmte fünfte Spaziergang der Rêveriers in die Dokumentation aufgenommen. Was andere empfinden, meinen empfinden zu müssen, sagt Jean-Jacques selbst schon: '[D]em Reiz einer abstrakten, einförmigen Träumerei füge ich angenehme Bilder hinzu, die sie beleben. Ihr Gegenstand entging während meiner Verzückung oft meinen Sinnen, und je tiefer ich nun in meine Träumerei versinke, desto lebhafter stellt sie mir sie nun dar. Ich befinde mich jetzt oft noch mehr unter ihnen und auf noch angenehmere Art als zu der Zeit, da ich wirklich dort weilte. Das Unglück ist, daß in dem Maße, in dem die Einbildungskraft erlahmt, dies alles mühsamer zurückkehrt und nicht so lange anhält.'
Reich bebildert und elegant ausgestattet ist diese Publikation zumindest eine reizvolle Erinnerung an Rousseau und an die verlockenden Seiten der Schweiz des 18. Jahrhunderts, die dem Citoyen de Genève zwar nicht sehr lange, doch auf eine Weise Asyl gewährte, die aus dem Gedächtnis der Menschen so lange nicht wird zu tilgen sein, so lange noch Rousseau gelesen wird.