Reise durch Nubien
Fotos einer Expedition um 1900. Menschen - Reisen - Forschungen

Leserinnen und Leser des vorliegenden Bandes erwartet die detailreiche Aufbereitung eines fotografischen Konvoluts von 341 Kollodiumpapieren aus Beständen des Berliner Ägyptischen Museums (vgl. S. 30/31-32/33). Die Kenntnis über diese Abzüge war infolge falscher Beschriftung und mehrdeutiger Inventarnummern verloren gegangen, konnte aber durch Jana Helmbold-Doyé und Thomas L. Gertzen einer kleinen Forschungsexpedition zugewiesen werden, die 1900 nach Nubien reiste. Zu ihr gehörten Ludwig Borchardt (1863-1938), Curt von Grünau (1871-1939), Heinrich Schäfer (1868-1957), Georg Steindorff (1861-1951) und Hermann Thiersch (1874-1939), die nach einem Aufenthalt in der Oase Siwa über weitere Orte in Ägypten bis nach Nubien gelangten.

Der anzuzeigende, reichlich bebilderte Band vervollständigt das von Thomas L. Gertzen 2014 zugänglich gemachte Reisetagebuch Schäfers über dessen Nubienreise bis zum zweiten Nilkatarakt nun fotografisch (Thomas L. Gertzen, Boote, Burgen, Bischarin ; Heinrich Schäfers Tagebuch einer Nubienreise zum zweiten Nilkatarakt im Jahre 1900, Wiesbaden: Reimer, 2014). Drei eigenständige Beiträge ordnen die Bilder unterschiedlichen Kontexten zu: Gertzen skizziert die Reise und ihre Teilnehmer (S. 16/17-28/29), Caris-Beatrice Arnst beschreibt die Auffindung des Konvoluts, fasst die Archivierungsgeschichte zusammen und gibt der Leserschaft fototechnische sowie -historische Beobachtungen mit (S. 30/31-48/49). Helmbold-Doyé schließlich beschreibt – nach einer kurzen Einführung – und ordnet die auf den Fotografien identifizierten Altertümer den Aufnahmeorten zu (S. 50/51-68/69). Alle diese Texte sind mit insgesamt 35 Abbildungen illustriert, die aus dem Bildbestand jener Reise stammen, einen unmittelbaren Bezug dazu haben oder speziell für einen der Beiträge angefertigt wurden (vgl. S. 72/73-74/75). Die nachfolgenden 89 Tafeln zeigen Nubierinnen und Nubier, Expeditionsteilnehmer, ägyptische Altertümer oder Landschaftsimpressionen, die während der Expedition 1900 entstanden (Ausnahmen sind die Tafeln 2 und 85, die Parallelen im Rund- und Flachbild zu Szenen zweier Fotografien wiedergeben). Als Appendix sind sechs Tafeln von Hermann Thiersch beigegeben, der zeichnerisch Malereien und Landschaftsskizzen aus Kalabscha, Wadi es-Sebua, Quisch, Mehendi und Abu Hor festgehalten hat. Die Tafeln 1-89 sind meistens mit Zitaten aus Schäfers Tagebuch erläutert.

Die Fotografien im durchgängig farbig gedruckten Band sind von sehr guter Qualität; aber auch fehl- oder doppelbelichtete Aufnahmen haben der Vollständigkeit halber ihren Platz in der Publikation gefunden. Das Hauptaugenmerk der Veröffentlichung ist auf eine möglichst originalgetreue Reproduktion der Bilder gelegt worden. Ihre Archivierung, aufgeklebt auf Karton, zeigt sich nur bei wenigen Abbildungen (Abb. 2 auf S. 30; Abb. 4 auf S. 33; Abb. 5-6 auf S. 36; Abb. 5 auf S. 55). Die beigegebenen Texte sind durchgängig in deutscher und englischer Sprache verfasst (Deutsch zumeist auf den geraden, Englisch auf den ungeraden Seiten). Illustrations-, Personen- und Ortslisten sind den Sprachen entsprechend angepasst. Auch die Bildunterschriften der Tafeln, einschließlich der Zitate aus Schäfers Tagebuch, sind zweisprachig abgefasst. Dabei wird der englischsprachige Text als „Quotation“ in Gertzen 2014 (s. o.) angegeben, korrekt ist es jedoch eine Übersetzung nach Gertzen 2014. Zum Charakter von Schäfers Tagebuch, seinen Eintragungen und anderem s. Gertzen 2014: 9-10.

Die Einzelbeiträge hätten fachkundiger nicht geschrieben werden können: Thomas L. Gertzen berichtet über die Teilnehmer der Reise nach Nubien von 1900 als träfe er auf alte Bekannte, seine umfangreiche Quellenkenntnis nicht nur zum Tagebuch von Heinrich Schäfer, sondern auch zu den Aufzeichnungen der übrigen Expeditionsteilnehmer geben ein umfassendes Gesamtbild, an das die Fotografien angeheftet werden können. Caris-Beatrice Arnst ist eine der Fachautoritäten in Bezug auf Foto-Objekte älterer und neuerer Zeit, ganz gleich, ob es sich um Abzüge oder originale Negative handelt. Ihre ausführliche, fachkundige, jedoch stets allgemeinverständlich gehaltene Beschreibung und Kontextualisierung dieses Archivbestands bieten das perfekte Portfolio zur wissenschafts- und technikgeschichtlichen Einordnung der Kollodiumpapiere. Jana Helmbold-Doyé ist bestens bewandert in der Topografie Nubiens und gibt konzise Beschreibungen zu den auf den Fotografien erkennbaren Orten und Ruinen bzw. korrigiert ursprünglich falsche Bezeichnungen zu den Bildern. Ein ansprechendes, übersichtliches, aber nicht langweilig wirkendes Layout, eine hervorragende Qualität der Bilderwiedergabe und eine auch ansonsten vorbildliche Herstellung des Buches machen einerseits Freude beim Lesen und Durchblättern der Arbeit, andererseits wird das Fotokonvolut durch die detailreichen Informationen zu einer vorbildlichen Aufarbeitung, zu der man der Herausgeberin Helmbold-Doyé und dem Herausgeber Gertzen wie auch der Mitverfasserin Arnst nur herzlich gratulieren kann und sich für deren Sorgfalt bedanken muss.