Himmel, Hölle, Paradies
Jenseitswelten von der Antike bis heute

Die Jenseitsgefilde vergangener sowie gegenwärtiger Kulturen und Religionen spiegeln komplexe Formen der verschiedenen Vorstellungswelten vom Verhältnis Mensch – Natur – Gott wider. Mit Hilfe von Bildern und Texten lassen sich unterschiedliche Ideen greifen, Jenseitswelten beschreiben und Glaubenspraktiken skizzieren.

Für die griechisch-römische Antike, das alte Juden- und frühe Christentum, den Islam und die moderne christliche Lehre hat Bernhard Lang, ehemaliger Professor für Altes Testament und Religionswissenschaft an den Universitäten Tübingen, Paderborn, Paris IV und St. Andrews ein kompaktes und gleichsam inhaltsreiches Kompendium in der Reihe „C.H. Beck Wissen“ zusammengestellt sowie mit zahlreichen Abbildungen, Tabellen und Skizzen illustriert.

Die durchaus komplexen und verschiedenartigen Überlieferungsstränge insbesondere der Antike (S. 10-31) kann Lang sehr gut lesbar und leicht nachvollziehbar vorbildlich strukturiert seiner Leserschaft weitergeben. Vor allem die Schriften Hesiods, aber auch Homers, Pindars, Vergils und nicht zuletzt Platons, Plutarchs, Epikurs und Lukrez‘ geben das mythologische Gerüst vor, an das Lang die verschiedenen Jenseitsbilder für das alte Griechenland und das antike Rom anhängt.

Die diversen Beschreibungen in der Bibel nutzt Verfasser für die detaillierte Schilderung des jüdischen Jenseitsbildes (S. 32-48), ergänzt um den Blick auf benachbarte Kulturen Mesopotamiens und Ägyptens des 1. Jahrtausends v. Chr. – und eingeschränkt auf den Umstand, dass die „in die Bibel aufgenommenen Schriften“ „unterschiedlichen Alters“ sind (S. 32). In Abgrenzung zum frühen Judentum leitet er die vielfältigen Einflüsse auf die Vorstellungswelt der ersten Christen z. B. vom Hellenismus kommend her (S. 53-55).

Langs Auseinandersetzung mit dem Islam (S. 55-78) setzt chronologisch bei den frühesten Zeugnissen über das Jenseits an. Danach geht er auf Unterpunkte ein wie „Gott und Engel“ (S. 58-59), „Die Hölle“ (S. 59-61) und „Das Paradies“ (S. 61-63). Ein zweiter Abschnitt wendet sich den literarischen Zeugnissen zu. Das Buch der Leiter Mohammeds nimmt hierbei eine zentrale Stellung ein, ergänzt um die Werke von Al-Ma’arri und Al-Ghazali. Mit einem kurzen Ausblick zu „Prophetie, Erotik und Askese“ (S. 76-78) schließt er seine Darstellung des Islams.

Die Schöpfung und die Eschatologie der christlichen Lehre macht Lang ausführlich am Kirchenvater Augustinus (354-430 n. Chr.) fest (S. 79-84). Ihn kontrastierend stellt er Dantes Alighieris (1265-1321) Göttliche Komödie gegenüber, der in seiner dreiteiligen Dichtung die Hölle, das Fegefeuer und den Himmel selbst durchwandelt haben will (S. 84-95). Der persönliche Kontakt ins Jenseits ist auch bei Emanuel Swedenborg (1688-1772) Grundkonzept seiner Beschreibung Der Himmel und seine Wunder, und die Hölle, nach Gehörtem und Geschautem. Mit Hilfe einer besonderen Meditationstechnik überwindet Swedenborg nach eigener Darstellung die Barriere zur Geisterwelt, um in den mehrfach gestuften Himmel oder die Hölle vorzudringen (S. 95-100); von ihm geschaffen wurde ein Werk, das in der Folge einen starken Einfluss auf Malerei, Literatur und Philosophie ausübte. Eine kulturhistorische Analyse beendet Langs Betrachtung über das Christentum (S. 101-103).

Als Fazit stellt der Autor im fünften und letzten Kapitel die Frage nach dem Abschied vom Jenseits (S. 103-123). Naturwissenschaft und Philosophie im Nachgang des Naturalismus entledigen sich des Himmels, der Hölle oder des Paradieses gleichsam wie der Existenzialismus „zu einer Theologie ohne Jenseits“ (S. 110). Doch neben dieser kritischen, rationalen Reflexionskultur hat sich eine sentimentale Kultur des Gefühls etabliert (vgl. S. 122), um im Leben erlittene Verluste nach dem Tode wieder auszugleichen. Langs Resümee fußt auf einem abgewandelten Nietzsche-Zitat: „Wir haben das Jenseits, damit wir am Diesseits nicht zugrunde gehen“ (S. 123).

Die vor allem im vierten Kapitel individuell gehaltene Auswahl der Referenztexte verleihen dem Buch einen sehr persönlichen Charakter, auf Grundlage dessen die Intention des Autors ihre ganze Wirkung entwickelt. Bernhard Lang hat nicht eine historisch-kritische Betrachtung von Jenseitswelten vorgelegt, sondern greift unmittelbar in die Diskussion um den Glauben eines Lebens nach dem Tode mit einer höchst lesenswerten Zusammenstellung ein.