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Gott essen - WLA-Online - Wissenschaftlicher Literaturanzeiger
Gott essen
Eine kulinarische Geschichte des Abendmahls

Die Eucharistie wird heute hauptsächlich mit Brot und Wein gefeiert. In Gott essen erzählt Anselm Schubert, Professor am Lehrstuhl für Kirchengeschichte der Universität Erlangen-Nürnberg, die Geschichte des Abendmahls Jesu von den Anfängen über die Zeit der üppigen Herrenmahle bis zu den vielfältigen Formen der Gegenwart.

Was als Mahlkult im frühen Christentum mit Sättigungsmahl und Weinspende sowie anschließendem Trinkgelage begann, entwickelte sich zum Kultmahl der Alten Kirche, das zunehmend „von ausdifferenzierten Klerikerhierarchien verwaltet wurde“ (S. 36). Zuvor wurden nicht allein Brot und Wein als „das Heilige in Form krümeliger und flüssiger Substanzen“ (S. 81) vom einfachen christlichen Fußvolk gestiftet und konsumiert. Anfänglich, so Schuberts kulinarischer Exkurs, war mehr aufgetischt: Fleisch, Gemüse, Fisch, Öl, Oliven und Obst (vgl. S. 49).

Doch „die Klerikalisierung der Materie“ (S.63-80) brachte Änderung, zumindest in der lateinischen Kirche des Westens. Aus dem kulinarischen Dankopfer der Gemeinde erwuchs „eine heilige Handlung, mit der der Priester vor den Augen der Gläubigen die Gottheit auf die Erde herabholte“ (S. 63f.). Selbstgebackenes der Gläubigen wurde da zum Problem, weniger „wegen der mangelnden Qualität des Brotes als wegen der mangelnden Qualität der Gläubigen“ (S. 65). Durch strenge Reinheitsgebote mutierte im Hochmittelalter das Abendmahlselement Brot zur frugalen Form der Oblate aus Weizenmehl, wie sie Kirchgänger auch heute noch verzehren, kredenzt mit Wein, der schon bald „nur noch vom Priester konsumiert und den einfachen Gläubigen immer seltener gereicht wurde“ (S. 64).

Der Weg vom einfachen Brot und verwässerten Traubensaft zur dünnen Hostie mit reinem Messwein war voll der Regelwut mit vielen Ausnahmen. „Eine eucharistische Kultur“ (S. 81-113) gab ihn vor. In der Abendmahlstradition wurden Hostien und Wein ab der Reformationszeit zu „Brot und Wein des Glaubens“ (S. 115-212), ganz im Sinne einer Kontinuität im Wandel. Martin Luther folgte zwar der alten Messtradition, die Transsubstantiationslehre lehnte er jedoch ab. Wo Wein nicht wuchs, war der Notbehelf nicht weit, „beim Abendmahl Wasser, Honigmet oder Bier zu konsekrieren“ (S. 131), so im mittelalterlichen Skandinavien. Die Vorstellung, nur reines Weizenbrot sei für das Abendmahl geeignet, blieb ebenfalls nicht unverrückbares Glaubensgut wie in Böhmen bei Kurfürst Friedrich V., der zum Gedenken Jesu schon mal süßes Hefegebäck auftischen ließ (vgl. S. 134). Zu einem „Dilemma der römischen Weltkirche“ (S. 140) wurde es, wo christlicher Abendmahlsbrauch mit Speisegewohnheiten fremder Völker zusammenstieß, zu denen Eroberer, Händler und Missionare vorgedrungen waren. So feierten nestorianische Thomaschristen schon vor 1500 das Abendmahl in Indien mit Brot aus Reismehl mit Öl und Salz sowie Wein aus eingeweichten Mekka-Rosinen (vgl. S. 142). Vollends unsicher wurde die römische Weltkirche beim Aufkommen massenhaft gefertigter Nahrungsmittel seit den 1830er Jahren. Welche Ingredienzen „der Leib Gottes im industriellen Zeitalter“ (S. 163) enthielt, war nun weitgehend der Innovation von Lebensmittelchemikern überlassen. Das Blut Christi wandelte sich dabei „vom Kunstwein zur Pastoralchemie“ (S. 164).

Erst die seit 1970 einsetzende „Rückkehr der Vielfalt“ führte wieder zu jener „Fülle der Speisen und Nahrungsmittel, die das Abendmahl in der frühchristlichen Kirche ausmachte“ (S. 187) – dank 68er-Bewegung (wie Schubert glaubt), Befreiungstheologie und einem „wachsenden Stellenwert der Gesundheit in der öffentlichen Debatte“ (S. 188). Die Vielfalt einer bunten Zukunftskirche scheint für den Autor auch zu bedeuten, dass innerhalb der christlichen Kultur „eine Flasche Messwein aus dem Würzburger Juliusspital“ beim Abendmahl keinen höheren Stellenwert einnimmt als „eine unter Schwierigkeiten organisierte Dose Fanta im Kongo“ (S. 212).

Anselm Schubert schreibt weit mehr als eine kulinarische Geschichte des Abendmahls. Er zeigt eine Kirche mit ihrem Wertefundus im Umbruch. Vorliegendes Buch, kurzweilig und informativ geschrieben und mit Abbildungen von Kunstgegenständen ergänzt, ist auch die Geschichte einer Kirche auf dem langen Weg zu sich selbst.