Nicht minder facettenreich wie die Antike ist das Mittelalter. Was es nachhaltig prägte, stellt Josef Fleckenstein, langjähriger Direktor der Abteilung Mittelalter des Göttinger Max-Planck-Instituts für Geschichte, unter Mitwirkung des Mittelalterhistorikers Thomas Zotz in Rittertum und ritterliche Welt vor.
Die „Vorstufen des Rittertums“ (S. 25-60) liegen im vorzeitlichen Kriegertum, das Fleckenstein nur kurz streift. Erst die Bauernkrieger, die im Zuge europäischer Reichsgründungen aufkamen, zeigen deutlichere Konturen frühen Rittertums. Doch „die bestimmende und folgenreiche Entscheidung, die den Weg zum Rittertum eröffnet hat“, setzt im Regnum Francorum ein, dem „Wurzelgrund Europas“ (S. 29).
Was im Großfränkischen Reich den „Übergang zum Rittertum“ (S. 61-108) wesentlich herbeiführte, war neben der Bekehrung kriegerischer Normannen zum Christentum das Aufkommen des Lehnwesens, das neue Machtzentren schuf, „unter denen zum Beispiel Burgen eine neuartige Rolle spielten“ (S. 69). Besonders die im 10. Jahrhundert einsetzende Gottesfriedensbewegung versuchte, marodierende Krieger „zu domestizieren, was ihr im Laufe der Zeit auch einigermaßen gelang“ (S. 109). Dieser tiefgreifende Wandel war ab dem 11. Jahrhundert Beginn eines neuen Zeitalters, in dem ritterliche Aufgaben, Schutz zu gewähren, mit den Normen christlicher Ethik verknüpft wurden.
Die Bindung an die Kirche brachte eine „Angleichung des europäischen Rittertums seit den Kreuzzügen“ mit sich (S. 109-172). Bereits der Erste Kreuzzug rief „eine ungewöhnliche Mischung aus Begeisterung, eschatologischer Erwartung und Drang zur Buße“ (S. 119) hervor, die bei Christen in nahezu allen europäischen Ländern ein „Zusammengehörigkeitsgefühl der Kreuzfahrer“ (S. 118) aufkommen ließ. Die Kreuzzugsbewegung mit Jerusalem als Zielort brachte „eine substanzielle Bereicherung in die Geschichte des Rittertums“ (S. 139), indem sich geistliche Ritterorden herausbildeten, dessen wechselvolle Geschichte im Europa des Hochmittelalters Fleckenstein abschließend erzählt (S. 139-172).
Im Abschlusskapitel „Ritterliche Welt und höfische Lebensformen“ (S. 173-229), das Thomas Zotz präsentiert, wird das Ritterbild deutlich erweitert. Die gepanzerten Reiter, die „unter den Einwirkungen von Hitze und Staub ums Leben kamen“ (S. 176), waren höfischem Fest, dem Turnier und der Jagd vielfältig verbunden (S. 201-219). Nach Knappenzeit und Schwertleite verkörperten sie jene Würde, die als „Inbegriff von feiner Art sowie Eleganz der Sprache und körperlichen Bewegung“ (S. 194) auch heute noch in Ausdrücken wie 'ritterlich' oder 'chevaleresk' fortlebt.
Das Tandem Fleckenstein und Zotz bietet hier einen historisch und kulturhistorisch gut fundierten Einstig in die Welt des Rittertums. Als Anschauungsmaterial dienen zahlreiche Abbildungen mittelalterlicher Buch- und Manuskriptillustrationen ritterlichen Lebens, sowie Fotografien von Bauwerken und Kunstgegenständen, die das Buch durchziehen und sämtlich in schwarz-weiß gehalten sind. Ein schönes Quellenbeispiel bietet Fleckenstein mit der Erwähnung des Teppichs von Bayeux (S. 72-77), der mit sechs Einzelbildern in Teilen dargestellt wird und sich auch als Eyecatcher farbig auf dem Schutzumschlag wiederfindet.