Zusammenhänge zwischen politischer, sozialer und geistiger Entwicklung der deutschen Geschichte kurz und prägnant zu beschreiben, ist eine Kunst. Die Deutsche Geschichte des Historikers Andreas Fahrmeir aus der Reihe C.H.Beck Wissen unternimmt einen Versuch. Zur Römerzeit besaß die Region, die später einmal „Deutschland“ heißen würde, die „bescheidene Infrastruktur einer Subsistenzgesellschaft“ (S. 11), die sich im Hochmittelalter „in geistliche und weltliche, ländliche und städtische“ Herrschaftsformen weiterentwickelte (S. 16). Das Geflecht aus Grafschaften, Reichsstädten und geistlichen Gebieten blieb dabei lange ein loser Reichsverbund mit sich ändernden Grenzen. Das explizit „deutsche“ am „Heiligen Römischen Reich“ kündigte sich zum Ende des 15. Jahrhunderts an.
Mit der Reformation, die Kritik an „den Verhaltensweisen zahlreicher Geistlicher“ (S. 24) offenbarte, aber auch mit dem von Italien ausstrahlenden Renaissance-Humanismus waren Zäsuren in der deutschen Geschichte verbunden. Die Frühneuzeit war Kriegszeit, in der es aber zu einer „allmählich gemäßigteren Praxis der Kriegführung“ (S. 35) kam. Reichsstände in Mitteleuropa suchten nach Ende des Dreißigjährigen Krieges „durch geschickte Allianzen“ (S. 37) mit Frankreich oder England zu profitieren.
Eine „neutrale oder frankreichfreundliche Politik“ (S. 47) war in „die Komplexität der politischen, konfessionellen, regionalen, ökonomischen und ständischen Positionen“ (S. 54) der meisten Territorien im rechtsrheinischen Süd- und Mitteldeutschland in der Zeit nach Ausbruch der Französischen Revolution bis zur deutschen Revolution 1848 eingebunden.
Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71, „eine national konnotierte Massenmobilisierung“ (S. 63), wurde durch die Kriegserklärung Frankreichs an den Norddeutschen Bund ausgelöst. Eine Dämonisierung Bismarcks, die im Zusammenhang mit dem letzten der deutschen Einigungskriege oft betrieben wird, unternimmt Fahrmeir nicht. Ebenso wenig eine Überbewertung des Antisemitismus im Kaiserreich, da sich eine antisemitische Entwicklung „weniger bedrohlich darstellte als im Frankreich der Dreyfus-Affäre oder im Russischen Reich“ (S. 69). Auch die Kriegsschuldfrage wird nicht prononciert-einseitig an Deutschland gerichtet, denn die politische und militärische Führung des Wilhelminischen Reiches war im Juli 1914 „kaum verantwortungsloser als ihre Pendants in Belgrad, Wien, Paris, St. Petersburg oder London“ (S. 72).
Die Weimarer Republik startete mit einer nationalen Katastrophe, die sie nie verwunden hat – mit dem Friedensvertrag von Versailles. Akzeptiert und getragen wurde die erste deutsche Demokratie im Grunde nur von der gemäßigten Linken. In der Weimarer Spätphase waren die tragenden politischen Institutionen „nur noch teilweise handlungsfähig“ (S. 88).
Nach den Schwächen der Weimarer Republik und der „demonstrativen Gewaltbereitschaft der NS-Diktatur“ (S. 92) folgte das 1949 verabschiedete Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland dem System „eines internen politischen Pluralismus zwischen Bund und Ländern“ (S. 106). In den letzten DDR-Jahren sieht der Autor die Entwicklung einer stärkeren „Identifikation mit der preußischen Geschichte“ (S. 106). Ein Irrtum: An preußische Werte und Tugenden haben weder die Bundesrepublik Deutschland noch die DDR angeknüpft. Auch das wiedervereinigte Deutschland hat – von der Alibiveranstaltung der Wiedererrichtung des Berliner Stadtschlosses einmal abgesehen – mit preußischen Traditionen rein gar nichts im Sinn.
Fahrmeirs Buch ist eine Überblicksdarstellung im komprimierten Schnelldurchlauf. Da sein Buch das „deutsche“ an der Geschichte nachzeichnet, ist es überwiegend neuzeitlich orientiert. Strömungen mittel- und gesamteuropäischer Entwicklungen fließen mit ein, sofern sie sich wesentlich auf Deutschland auswirkten. Die Machtverhältnisse des Reiches im Spätmittelalter wie auch die Umbrüche in der Reformationszeit und bei der Reichsgründung 1871 werden am Ende des Bandes mit Kartenmaterial veranschaulicht. Wer einen informativen Kurzeinstieg in die deutsche Geschichte sucht, trifft mit vorliegendem Band eine gute Wahl.