95 Lutherorte, die Sie gesehen haben müssen
Spurensuche auf den Lutherwegen durch Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen

Anzuzeigender Band gehört zu den zahlreichen Veröffentlichungen anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Reformation. Der Verfasser Werner Schwanfelder – zusammen mit seiner Frau – hat die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bereist und 95 Orte, an denen Luther war oder die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Reformation stehen, fotografiert, beschrieben und als Reiseempfehlung herausgegeben. „Spurensuche auf den Lutherwegen“ zu „Lutherorten, die Sie gesehen haben müssen“ eben, wie im Unter- und Haupttitel angegeben ist. Die Anzahl der aufgelisteten Ortschaften orientiert sich dabei an der Zahl der Thesen, die der Reformator in Wittenberg (siehe im Buch S. 206-217) an der Tür der dortigen Schlosskirche aushängte, wodurch der Verfasser den Bezug zum Reformationsjahr deutlich gemacht hat.

Die Hauptregionen der Lutherorte sind alphabetisch sortiert: Altenburg, Eisenach, Eisleben, Leipzig, Mansfeld, Nordhausen, Torgau und eben Wittenberg. Verfasser schlägt also keine Rundfahrt vor, um diese seiner Ansicht nach wichtigsten 95 Stätten zu besuchen, sondern fungiert eher als Nachschlagewerk von A-Z, wenn man an diesen Sehenswürdigkeiten (irgendwie) angekommen ist. Die Lutherorte werden jeweils auf einer Doppelseite in Text und Bild abgehandelt: links eine kurze Skizzierung der Ortschaft und seiner Lutherrelevanz im Stile einer kurzen Sprachnotiz, rechts ganzseitig ein charakteristisches Bild mit einer vier- bis fünfzeiligen Bildüberschrift und einer Jahresziffer links unten, die den reformatorischen Bezug aufgreift. Den Städten vorangestellt ist eine kurze historische Abhandlung über die Region und Luthers Wirken dort sowie über die Folgen der Reformation für Staat, Gesellschaft und Politik. Die Fotografien sind von wechselhafter Qualität, es überwiegt stark eine Untersicht und Froschperspektive bei der Wiedergabe der Bauwerke. Durch die Verwendung von Weitwinkeln „kippen“ die senkrechten und waagerechten Gebäudeteile; dies führt zu teilweise karikaturesken Bildern (S. 45, 153, 165, 217). Abwechslung hätte eine große Schärfentiefe bei kleinen Blendenwerten geschaffen. Positiv fallen ausgefallene Bildmotive und -perspektiven auf.

Alles in allem bereitet das vorliegende Buch dem Rezensenten großes Unbehagen. Die Gründe hierfür liegen in beinahe allen Teilen des Werkes: die Widmung, die der Verfasser eigentlich gar nicht hätte schreiben wollen, nun aber habe müssen, um seiner Frau zu danken – quasi also gezwungenermaßen; das Vorwort, in dem Verfasser freimütig äußert, seine Frau habe noch weitere Lutherstätten bemerkt, die Autor in der Recherche übersehen habe – Recherche ist aber für ein Werk das A und O; der Wert der Reisen liegt für den Verfasser in einem tiefer gehendem Lutherverständnis, z. B. dass dieser ein guter Personalchef hätte sein können – mit den hier gelisteten Orten hat dies jedoch rein gar nichts zu tun. Grundsätzlich bleiben zwei Fragen daher unbeantwortet: Für wen – außer für sich als Selbstfindungsprozess – ist dieses Buch gedacht und warum sollte es ein möglicher Leser kaufen. Als Reiseführer taugt es nicht, denn, wie bereits oben erwähnt, hat Verfasser keine Reiseroute entwickelt oder bietet dem Leser ausgesuchte Programmpunkte an, die aufeinander Bezug nehmen. Thematische Schwerpunkte vermisst man ebenso wie vielleicht chronologische Bezugnahmen. Die Auswahl der Orte ist somit augenscheinlich zufällig, eine Vermutung, die durch die Angabe im Vorwort nachhaltig bestärkt wird. Absolut unverständlich ist dem Rezensenten aber, dass der stenografische Stil mit Verkürzungen wie „Pech“ oder „Tabula rasa“ als alleine stehende Aussagen oder Satzeinführungen wie „Wow“ vom Verlag so akzeptiert wurden. In SMS oder Twitter ist man dies vielleicht gewohnt, für ein gedrucktes Buch, um mehr oder minder komplexe Zusammenhänge in Kürze zu schildern, ist dieser Schreibstil aber vollkommen ungeeignet und nicht zu akzeptieren. Hinzu kommt eine Nonchalance bei der Beschreibung der aufgelisteten Städte, die im Widerspruch zu der eigenen Zielsetzung steht: Es sollen nach Ausweis des Titels 95 Lutherorte sein, die man gesehen haben muss, gleichzeitig zieht Verfasser an zahlreichen Stellen die Bedeutung der vorgestellten Stätte immer wieder ins Lächerliche bis ins Unerträgliche: „Im Zweiten Weltkrieg diente es als Hochsicherheitsgefangenenlager für alliierte Offiziere. Vielleicht ganz gut, denn seitdem kommen immer mehr englischsprachige Touristen.“ (S. 40). Dies gipfelt in der Selbst-in-Frage-Stellung durch den Verfasser zu Kloster Frankenhausen: „Richtig viel hat das Kloster nicht mit der Reformation zu tun.“ (S. 46). Hiernach ist also auch dem Autor sein eigenes Vorgehen unklar. Der Rezensent bittet daher seine Leser um Verzeihung, dass er hier nicht als interpretatorischer Soter auftreten will, um ein Buch zu retten, das nicht zu retten ist, sondern dieses Werk aus den besagten Gründen einfach durch und durch misslungen findet.