Rassische Diskriminierung – Erscheinungsformen und Bekämpfungsmöglichkeiten
Tagung in Potsdam, 29./30. September 2000, Berlin

Rassendiskriminierung – Analyse und Lösungsansätze

Das Unrecht, das die Opfer von Rassendiskriminierung und damit zusammenhängender Intoleranz erleiden, ist bekannt: eingeschränkte Arbeitsmöglichkeiten, Rassentrennung und Armut sind nur einige – und keineswegs die gravierendsten – Folgen. Um eine Bestandsaufnahme der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland vorzunehmen, mögliche Defizite auszumachen und Handlungsalternativen aufzuzeigen, führte das Menschenrechtszentrum (MRZ) der Universität Potsdam unter der Leitung von Eckart Klein Ende September 2000 die Tagung Rassische Diskriminierung – Erscheinungsformen und Bekämpfungsmöglichkeiten durch, deren Beiträge nunmehr (nahezu vollständig und für die Drucklegung aktualisiert) gesammelt vorliegen. Mit seinen in loser Folge erscheinenden Publikationen möchte das MRZ zur Ausdehnung der wissenschaftlichen Diskussion und Kommunikation auf dem Gebiet des Menschenrechtsschutzes beitragen.

Das interdisziplinär besetzte Kolloquium hat sich dem Generalthema in drei Abteilungen mit jeweils mehreren Referaten genähert. Zunächst wurden in einem einleitenden Themenblock allgemeine Fragestellungen behandelt; hieraus stammt der Beitrag Werner Bergmanns zum Problemkreis „Antisemitismus und Aufarbeitung der NS-Vergangenheit“. Bergmann erläutert, daß die zunächst religiös verstandene „Judenfrage“ sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer Rassenfrage entwickelt habe. Der Holocaust stelle eine Manifestation des Antisemitismus in einer völlig anderen Dimension dar, als sie im 19. Jahrhundert zunächst bekannt gewesen war. Der heutige Antisemitismus, im Grunde einer „ohne Juden“, zeichne sich durch verschiedene Besonderheiten aus: Er stelle eine Reaktion auf den Völkermord dar, zeige sich in Leugnung und Schuldprojektionen.

Der zweite, den Erscheinungsformen rassischer Diskriminierung gewidmete Teil, bietet mit den Aufsätzen der brandenburgischen Ausländerbeauftragten Almuth Berger über die „Diskriminierung durch Private“ sowie von Rainer Schulte, dem Präsidenten der Polizeiführungsakademie in Münster, zum Thema „Die Polizei im Umgang mit Fremden – Analyse und Lösungsansätze“ analytisch gut aufbereitetes empirisches Material.

Den Schwerpunkt bildet indes der dritte Teil, der den Bekämpfungsmöglichkeiten rassischer Diskriminierung gewidmet ist. Den Auftakt bilden die Überlegungen Brun-Otto Brydes zum Thema „Die Tätigkeit des Ausschusses gegen jede Form der Rassendiskriminierung (CERD)“. Bryde, der diesem Gremium zeitweilig selbst angehörte, weist zutreffend darauf hin, daß eine Ratifikation der Antidiskriminierungskonvention – die schon frühzeitig Instrumentarien zur Überwachung ihrer Einhaltung enthielt – zunächst vor allem deshalb erfolgte, weil das Thema Rassendiskriminierung als „problemlos“ angesehen wurde, schien es sich doch um konkret abgrenzbare Vorkommnisse wie Apartheid oder Nationalsozialismus zu handeln. Die Arbeit von CERD habe allerdings zu einer Erweiterung der Bedeutung des Begriffs der „rassischen“ Diskriminierung geführt. Des Weiteren betont Bryde, daß der Ausschuß (auf völkerrechtlichem Gebiet) auch zu modernen grundrechtlichen Konzepten wie der Schutzpflichten- und Drittwirkungslehre Pionierarbeit geleistet hat. Anschließend untersucht Friederike Brinkmeier den „Allgemeinen völkerrechtlichen Diskriminierungsschutz, insbesondere nach Art. 26 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte“. Sie führt aus, daß Art. 26 alle Phänotypen staatlicher Gewalt verpflichte: Gerichte und Behörden, aber auch Polizei und Militär, dürften keine willkürlichen Unterscheidungen bei Auslegung und Anwendung von Gesetzen treffen. Der Gesetzgeber habe diskriminierungsfreie Normen zu erlassen und durch geeignete Normen Gleichbehandlung sicherzustellen. Beim Vorliegen einer strukturellen Diskriminierung einzelner Bevölkerungsgruppen müsse der Staat besondere Maßnahmen ergreifen.

Norman Weiß nimmt den Komplex „Das Verbot rassischer Hetze und die Strafbarkeit der sog. Holocaust-Lüge – Art. 19/20 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte“ in den Blick. Ausgehend von einem Fall der Leugnung des Holocausts durch einen französischen Freizeithistoriker, der hierfür strafrechtlich belangt worden war, erläutert Weiß das völkerrechtliche Zusammenspiel von Meinungsäußerungsfreiheit und dem Verbot rassischer Hetze. Das nachfolgende Referat Wolfgang Mitschs wendet sich dem Thema „Das deutsche Strafrecht und die Bekämpfung rassischer Diskriminierung und Gewalttaten“ zu und geht der Frage nach, ob es ein qualifizierendes Legitimationsgut für das strafrechtliche Einschreiten in diesem Bereich gebe. Im Anschluß daran widmet sich Jeroen Schokkenbroek von der Generaldirektion für Menschenrechte des Europarats (in englischer Sprache, mit dt. Zusammenfassung) der „Ausweitung des europäischen Diskriminierungsschutzes durch das 12. Protokoll zur EMRK“. Er behandelt die Stärkung des Schutzes vor Diskriminierungen, die durch die Aufgabe der bisherigen Akzessorietät zu Konventionsrechten (Art. 14 EMRK) erreicht werde.

Andreas Haratsch unterstreicht in seinem Referat „Die Antidiskriminierungspolitik der EU“ die zu erwartenden Impulse, die von der Anti-Diskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union ausgehen werden. Dogmatisch interessant sei, daß Art. 13 EG, auf den sich die Richtlinie stütze – und der über ein Verbot „bloß“ rassischer Diskriminierung weit hinaus geht! –, die Gemeinschaftskompetenzen in der Tiefe erweitere. Tatsächlich ist es ein Novum, daß die Gemeinschaft zum Handeln ermächtigt wird ohne Rücksicht darauf, ob dieses Handeln der Verwirklichung der Gemeinschaftsziele, namentlich der Herstellung eines Gemeinsamen Marktes, dienlich ist. Unter dem Titel „Prävention durch Bildung und berufliche Fortbildung“ weist dann Annegret Ehmann darauf hin, daß Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit mit den herkömmlichen Mitteln der Bildung nur schwer zu erfassen seien. Gerade ein vorbildliches Engagement von Lehrkräften wirke sich oft kontraproduktiv aus. Die Beiträge Hanns Thomä-Venskes „Die Rolle der Kirche im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung“ und (in gekürzter Form) von Oberstaatsanwalt Rüdiger Falch zum Thema „Erscheinungsformen rassistisch oder fremdenfeindlich motivierter Gewalttaten“ schließlich runden das Gesamtbild ab.

Ein Tagungsbericht ist zwangsläufig keine systematische Abhandlung zu einem bestimmten Themenbereich, sondern eher handbuchartigen Zuschnitts; ein lose gebundener, bunter Strauß kollegialer Äußerungen, die im vorliegenden Fall aus juristischer – allzumal völkerrechtlicher –, historischer, kirchlicher und soziologischer Sicht mit unterschiedlichen Positionen und Aspekten auf je eigene Weise zu Rahmenthema beitragen wollen. Dies freilich ist den Referenten der Potsdamer Veranstaltung mehr als gelungen.