Der Limes
Grenze des Imperium Romanum. Geschichte erzählt, 27

Er gilt neben der innerdeutschen Sperrzone und der Chinesischen Mauer als ein Inbegriff der Grenze: der Limes. Fast fünf Jahrhunderte lang kontrollierte mit ihm das Römische Imperium den täglichen Waren- und Personenverkehr an seinen Außenrändern, trennte römische und nicht-römische Kulturbereiche ab und förderte auf seinem inländischen Gebiet das Entstehen und Wachsen größerer und großer Siedlungen bis hin zu Städten.

Der Limes stellte kein regional begrenztes Phänomen dar, auch wenn dies aus eurozentrischer Sicht den Anschein erweckt, sondern er findet sich in Nordafrika und im Nahen Osten gleichwie auf der britannischen Insel oder zwischen Rhein und Donau – wenn auch immer in unterschiedlichen Bauformen, die sich an natürlichen Gegebenheiten, der Bevölkerungsdichte dies- und jenseits der Grenze und der nötigen militärischen Präsenz der Römer im Verhältnis zu potenziellen Gegnern orientierte. Eingebunden in den Limes waren daher Flüsse wie Rhein, Donau, Euphrat oder Tigris (der sog. nasse Limes). Ein weiteres Merkmal waren Kastelle unterschiedlicher Größe, um die Grenztruppen zu beherbergen, welche bei feindlichen Übergriffen auf römisches Gebiet rasch eingreifen konnten. Der Limes war die „buchstäblich mit Brettern“ (Klappentext) vernagelte Welt der Römer, dies sowohl staatlich und militärisch als auch wirtschaftlich und kulturell verstanden.

Wolfgang Moschek erklärt dem Leser in einem sachkundigen wie unterhaltsamen Schreibstil die Geschichte und Funktion dieser Grenzanlagen von ihrer Entstehung über ihre Aufgabe bis hin zu ihrer Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert. Der Autor verknüpft dabei geschickt archäologischen Befund und antike literarische Überlieferung miteinander, um das zumeist unsichtbar gewordene Bodendenkmal in Beschreibungen wieder auferstehen zu lassen. In sechs Kapiteln führt er seinen Leser in die Geisteswelt der Römer und in die Forschungsfragen der Moderne ein.

Das Stichwort „Grenze“ ist das Hauptmotiv der ersten, ein Dutzend Seiten. „Welche Grenzen kannten die Römer?“ fragt Moschek und handelt als Antwort Kultur-, Stadt-, Tempel-, Haus- und Staatsgrenzen begrifflich äußerst knapp, teilweise mit übersetzten Zitaten ab, womit wer dem Leser Grundlagen für die weiteren Fragestellungen in seinem Buch an die Hand gibt. Sein erstes Fazit lautet, dass Grenzen vor allem „Orientierungen im täglichen sozialen und kulturellen Miteinander“ (S. 16) waren, woraus man schließen darf, dass dem Limes zum einen eine Innenwirkung auf die römische Bevölkerung zukam, die sich mit Sicherheitsbereich, Wohlstandsgebiet oder Kulturregion charakterisieren lässt, zum anderen er eine Außenwirkung auf die Nicht-Römer hatte, die Abgrenzung manifestieren und Achtung vor den Leistungen des römischen Staates evozieren sollte, nichtsdestotrotz aber auch Begehrlichkeiten weckte für das, was hinter dem Limes lag. Dabei war der Grenzbegriff (wie auch die bauliche Ausführung der Grenzanlagen) anscheinend einer sich immer wieder wandelnden Kontextualisierung unterworfen.

Dabei stehen diese Begriffsänderungen in unmittelbarem Zusammenhang mit den Veränderungen staatlicher Strukturen während der römischen Kaiserzeit. Diese historischen Entwicklungen hat der Autor in seinem zweiten Kapitel („Roms erste Grenze“, S. 17-42) zusammengefasst und auf den Limes projiziert. Gaius Julius Caesars Waldschneisen, die er im Zuge der Verfolgung von Feinden schlagen ließ, stehen am Anfang einer „Grenzziehung“, die Moschek mit Kaiser Trajans Tod 117 n. Chr. militärisch abgeschlossen sieht. Das römische Vielvölkerreich schickte seine Soldaten an sämtliche Außengrenzen. „Britonen wurden nach Germanien versetzt, aus Dalmatien kamen Soldaten in den Norden Britanniens und trafen dort auf Reiter aus dem heutigen Spanien“ (S. 42). Diese Romanisierung machte vor dem Limes und seinen Soldaten nicht halt, sondern erfasste zusätzlich die einheimische Bevölkerung beiderseits der Grenze.

Während Hadrians Herrschaft sieht Moschek die kulturelle Eroberung der Grenzgebiete aufkeimen (S. 43-84). Das Interesse des Kaisers an fremden Kulturen drücke sich vor allem in dessen Reisen aus. Als erfahrener Militärführer scheint er zudem um die Bedeutung einer abgesicherten Grenze gewusst zu haben, deren Ausbau er konsequent verfolgte. Im Schutz des so geschaffenen umfriedeten Raumes florierte die Wirtschaft, und Hadrian gelang es, in diesem fest umrissenen Gebiet zahlreiche Um- und Neubauten in seinem Namen errichten zu lassen. Dieses Konzept betraf sowohl das städtische Rom wie auch das gesamte Römische Reich, und es schloss auch die Grenzbauten mit ein, einerseits die Grenzsteine des Pomeriums, andererseits u. a. den römischen Limes auf dem europäischen Kontinent (vgl. Karte S. 140f.). Moschek beschreibt ausführlich die verschiedenen Bauformen der Grenzbefestigungen in der Wetterau, im Odenwald in Nordafrika und den britischen Hadrianswall (S. 50-69) und setzt die Bauten in ihren kulturpolitischen und ökonomischen Kontext. Ein eigener Abschnitt ist dem „Alltag an der Grenze“ (S. 69-73) vorbehalten. Mit dem Blick auf das Leben außerhalb der Kastellmauern (einschließlich der villae rusticae) leitet der Autor zu der letzten großen Blütezeit des römischen Imperiums über.

Die Herrschaft des Antoninus Pius bis zu der des Caracalla (S. 85-103) sind in den Grenzregionen von einer Intensivierung der Landwirtschaft, einem wachsenden Binnenhandel und einem expandierenden Außenhandel gekennzeichnet. Durch Inschriften und Bauten, so Moschek, wird der Limes ein Symbol für diese Blütezeit (S. 87-90). Um- und Ausbauten der Grenzbefestigungen sichern in der Folge praktisch die vom Limes eingeschlossenen Lebensräume vor Angriffen von außen ab und symbolisieren gleichzeitig die Macht Roms und seines Herrschers, die überhöht in triumphalen Bauten zum Ausdruck kommt.

Der sukzessive Niedergang der Befestigungsanlagen nach 240 bildet den Themenschwerpunkt des vorletzten Kapitels (S. 104-116). Weniger der Druck von Völkern außerhalb des Limes als vielmehr innerrömische Kontroversen um politische und militärische Macht im Römischen enthoben die starre Grenze ihrer Funktion. Flexibel agierende Grenztruppen traten an ihre Stelle.

Im letzten Teil des Buches fasst Moschek die Entdeckungs- und einzelne Aspekte der Forschungsgeschichte zusammen (S. 117-139), beginnend bei der Reichslimeskommission bis hin zu der Aufnahme der Bauwerke in den Rang eines UNESCO-Weltkulturerbes. Bestand die Bedeutung des Limes in römischer Zeit darin, als Grenze Menschen und Völker zu trennen, ist er heute ein Forschungsgegenstand, an dessen Geschichte und Kontextualisierung international zahlreiche Forscher und Gesellschaft zusammenarbeiten.

Wolfgang Moscheks einführendes Buch zum Limes deckt verschiedene Aspekte der römischen Grenzbauten ab: ihre Bedeutung für innere und äußere Sicherheit, für den Handel oder für eine kulturelle Identität inner- und außerhalb der Befestigungsanlagen auf der britischen Insel, in Europa, Asien und in Afrika. Konzis formuliert führt der Autor seinen Leser durch die Geschichte des Limes, seine Architektur und seine verschiedenen Funktionen. Ausgesuchte Skizzen und Abbildungen verdeutlichen Einzelaspekte, die Moschek abhandelt, zahlreiche Zitate zumeist aus lateinischen Inschriften oder von antiken Autoren stellen einen unmittelbaren Rückbezug in die unterschiedlichen Entstehungszeiten der Grenzbefestigungen her. Die kurzweilig zu lesende Übersicht aus der Reihe „Geschichte erzählt“ ist uneingeschränkt zum Einstieg in das Thema „Limes“ zu empfehlen.