Templerburgen

Der Kunsthistoriker Thomas Biller hat die Architektur der Kreuzfahrerburgen – speziell die des Templerordens – im Heiligen Land (Israel, Jordanien, Syrien, Libanon, Südtürkei) sowie der Iberischen Halbinsel untersucht und seine Forschungsergebnisse reich bebildert in anzuzeigendem Band für ein interessiertes Sachpublikum zusammengefasst. In drei Hauptkapiteln hat Verfasser moderne Bewertung, Kultur und Architektur der Templer in einem vorzüglich abgefassten Text aufbereitet.

Ausgangspunkt bzw. Einführung seiner Untersuchung ist der Templermythos, eingeschlossen Heiliger Gral und Schatzhortung, der seit dem 18. Jahrhundert bis heute teilweise fanatische Fantasien beflügelt. Diesen bis in das Legendäre abdriftende unhistorischen grotesken Ausschmückungen und Verklärungen stellt Biller die baugeschichtlichen Realitäten gegenüber, um mit Hilfe fundierter architektonischer Untersuchungen über diesen kulturgeschichtlichen Teilaspekt das Leben und Wirken der Templer näher zu beleuchten und zu schärfen: Zahlreiche Grundrisse, Aufrisse und Architekturfotografien sind dafür nötig, die allesamt Eingang in die „Templerburgen“ gefunden haben.

Die Bauanalyse verknüpft Biller in seinem zweiten Kapitel mit der Geschichte und den Charakteristika der Templer. Er orientiert sich dabei hauptsächlich, wie aus der Literaturauswahl zu erschließen ist (S. 167-171), an Malcolm Barbers Templerhistorie, ohne sich zu sehr in Einzelaspekten zu verlieren.

Auf nachfolgend mehr als 100 Seiten breitet der Autor seine Architekturanalyse aus; dabei betrachtet er Großregionen (S. 61-66 Jerusalem, S. 66-77 Königreich Tripolis, S. 78-99 Königreich Jerusalem, S. 100-140 Iberische Halbinsel, S. 141-149 übriges Europa) und widmet sich abschließend der Frage „Gab es einen Typus der Templerburg“ (S. 150-166), die er wohl begründet im Ergebnis verneint (S. 166). Sein Ergebnis ist, und darin will Rezensent ihn gerne bestärken, dass regionale Einflüsse viel stärker die Architektur prägten als eine vermeintliche einheitliche Bau- oder Zeichensprache des Templerordens. Gemeinsamkeiten architektonischer Ausführungen sind eher durch gleiche Werkstätten oder Bauhütten wahrscheinlich, die an verschiedenen Orten zum Einsatz kamen, wie sie durch das gesamte Mittelalter hindurch bekannt sind. Fehlt es der architektonischen Bild- und Formensprache an einer gemeinsamen Ordnung, „quasi als ein Markenzeichen, das seine Präsenz in weiten Teilen Europas und im Orient hätte veranschaulichen sollen“ (S. 152), stellt Rezensent die weitergehende Frage, über welchen Grad einer gemeinschaftlichen Geschlossenheit dieser Orden überhaupt verfügte bzw. verfügen konnte: Biller antwortet zu Recht mit dem kontinuierlich anhaltenden, hohen militärischen Druck der im Heiligen Land, dem sich die Templer maßgeblich verpflichtet fühlten, auf ihnen lastete, und sie deswegen zu schnellen pragmatischen und effektiven baulichen Ausführungen zwang, anders etwa als dies beispielsweise dem Deutschen Orden gelang, der relativ lange über ein geschlossenes Territorium herrschen konnte und kontinuierlich eine wehrhafte Architektur entwickelte, die als Prototyp im Herrschaftsgebiet errichtet und schrittweise entwickelt werden konnte. Die Konzeption der Templer, „starke Burgen, die das Überleben sichern können, unter Heranziehung aller Formen und Mittel, die effektiv erscheinen“ (S. 166) zu errichten, ist auch auf andere Lebensbereiche der Templer übertragbar, wenngleich diese Pragmatik teilweise im Widerspruch zu den Ordensregeln stand; um etwa der Verpflichtung zu entsprechen, das Königreich Jerusalem zu schützen, mussten die Templer angesichts einer zunehmenden Schwächung im Heiligen Land neue Mittel und Wege finden, um statt „zu siegen oder im Kampfe zu fallen“ (S. 27) auch friedlich zu leben, zu arbeiten und Handel zu treiben (vgl. S. 33). Biller arbeitet dabei ausführlich heraus, dass die Templer sich in ihrer Organisation weitgehend nicht von anderen Orden jener Zeit unterschieden, ihre Ferne zu ihren europäischen Herkunftsländern sie jedoch über die Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg selbst zu „Fremden“ im eigenen Land werden ließ, als sie zurückkehrten, denen dann die kirchlichen und politischen Eliten mit steigendem Misstrauen begegneten. Ihr Pragmatismus und ihre kulturelle Andersartigkeit sind am Ende die Gründe gewesen, um ihre Ordensstruktur zerschlagen und die Mitglieder auslöschen zu lassen, wie Biller am Ende seines Bandes resultiert. Alles Geheime oder Mysteriöse ist eine moderne Zutat in der neuzeitlichen Rezeption der Templer und ihrer Burgen, wie Thomas Biller weitgreifend recherchiert und erfreulich erfrischend formuliert in seinem Buch zusammengetragen hat.