Große Enzyklopädie der Archäologie – Die wichtigsten archäologischen Stätten der Welt

Archäologische Zusammenstellungen der wichtigsten Ausgrabungen der Welt sind in der Buchwelt zahlreich erschienen. Dabei wird oft der Schwerpunkt auf Rom, Griechenland, Ägypten und Asien gesetzt. Hauptziele sind dabei die bekannten alten Kulturen, die die Menschen seit Anbeginn der Archäologie fesseln. Die Frage, die sich bei einer solchen, neuen Veröffentlichung stellt, ist daher: Ist das Buch nur eine weitere Ausgabe von bereits Vorhandenem oder geht dieses Buch neue Wege?

Große Enzyklopädie der Archäologie, ein gewagter Name für ein einbändiges Buch, das auch alle wichtigen archäologischen Stätten behandeln will. Ist es überhaupt möglich, dies mit einem Band zu leisten? Das Autorenteam um die Herausgeberin Dr. Aedeen Cernin, Universität Sidney, hat sich dieser Aufgabe angenommen. Wie einst Napoléon Bonaparte schrieb, dass er keine Zeit für einen kurzen Brief habe und deswegen einen langen Brief schreiben müsse, verfassten 40 namhafte Autoren Beiträge für dieses Buch. Es ist flüssig und verständlich geschrieben. Informationen werden dem Leser angenehm aufbereitet und vermittelt. Besonders hervorzuheben ist an dem Buch, dass es sich in zwei aufeinander aufbauende Teile gliedert. Der erste Teil, der als Einleitung bezeichnet ist, verschafft dem Leser ein archäologisches Basiswissen. Hier wird zuerst erklärt, womit sich die Wissenschaft der Archäologie beschäftigt und welche Fragen und Aufgaben dieses Fach zu bewältigen hat. Als weiteren Punkt wird die Wissenschaftsgeschichte vorgestellt. Hier werden die Urväter der Archäologie wie Winkelmann, Schliemann, Evans und Charter nicht einfach nur aufgezählt, sondern es wird ebenfalls auf Rezeption und die politische Nutzung in der Fachgeschichte eingegangen. In weiteren Punkten werden Aspekte wie Techniken, Chronologie, Datierung sowie unterschiedliche Blickwinkel der Archäologie – Landschafts-, Umwelt- oder Unterwasserarchäologie – erläutert. Letztlich schließt die Einführung mit problematischen Themen wie Raubgrabungen, Fälschungen und internationalen Streitigkeiten bei Fundverteilungen oder Rückforderungen.

Insgesamt vermittelt die Einführung das Grundwissen, wie in der modernen Archäologie gearbeitet wird, welche Schwierigkeiten bezwungen werden müssen und letztlich, wie viele andere Wissenschaften an der modernen Archäologie beteiligt sind. Dabei ist diese Einführung so umfassend gehalten, dass sie sich ebenfalls für Studienanfänger eignet. Der Band vermittelt komprimiert den Stoff, der in einer Erstsemestervorlesung der archäologischen Fächer behandelt wird. Vor allem wird eine weitere Beschäftigung und auch Vertiefung der vorgestellten Themen ermöglicht, da das Buch über ein, nach Themen gegliedertes, Literaturverzeichnis verfügt. Dadurch wird dem Studienanfänger sowie dem interessierten Laien, die weitere Recherche erleichtert.

Der zweite Teil des Buches wird unter dem Begriff „Atlas“ eingeführt. Die Gliederung der Stätten erfolgt zunächst über die Kontinente, wo sie dann chronologisch vorgestellt werden. Damit der gesamtchronologische Blickwinkel nicht verloren geht, haben die Autoren einen vergleichenden Zeitstrahl vor dem eigentlichen Atlas eingebracht, anhand dessen der Leser die unterschiedlichen Entwicklungen vergleichen kann.

Alle Kontinente werden nach dem gleichen Schema aufbereitet. Zuerst werden die anthropologisch Befunde geschildert. Danach folgen die wichtigen archäologischen Stätten. Afrika ist der erste Kontinent, der innerhalb des Buches bearbeitet wird. Hier wird jedoch gleich auf Bauwerke oder Hochkulturen eingegangen, sondern ebenfalls die anthropologische Suche nach dem ersten Menschen bis zur Sesshaftwerdung detailliert aufgezeigt. Es folgen die Beschreibungen der Kulturen von Ägypten bis Groß-Simbabwe, wobei der Leser immer wieder mit Exkursen und Vermerken weitere Informationen vermittelt werden.

Europa ist der folgende Kontinent, dessen Bearbeitung mit den Steinzeitmenschen von Abri de Cro-Magnon und Lascaux beginnt und mit der frühbyzantinischen Zeit in Ravenna endet. In diesem Bereich werden, neben der lithischen Zeit, ebenfalls die wichtigen Orte der griechischen und römischen Antike wie Mykene, Troja, Olympia, Pompeji oder Lyon sowie Karthago erläutert, die jedoch nicht den Schwerpunkt darstellen. Es wird ebenso auf die bedeutenden britischen, skandinavischen und russischen Fundplätze eingegangen.

Asien folgt in der Bearbeitung. Hier werden zunächst die klassischen Bereiche der vorderasiatischen Archäologie und der Altorientalistik dargestellt. Das Gebiet des fruchtbaren Halbmondes, mit besonderer Würdigung israelischer und mesopotamischer Ausgrabungsstätten. Die Autoren haben hier wieder die Chance ergriffen nicht nur eine reine Beschreibung und Erläuterung der Fundorte zu liefern, sondern auch kulturelles und geschichtliches Basiswissen. Dadurch wird der Leser von den Städten Ur über Babylon, Persepolis und Mohenjo-Daro geschichtlich chronologisch und stringent östlich, entlang der Seidenstraße, bis nach China geführt. An die ausführliche Bearbeitung Chinas schließt sich Japan an, letztlich wird der Leser bis nach Südostasien und Indonesien geführt, wobei weiterhin die wichtigsten Städte vorgestellt werden.

Der amerikanische Kontinent wird in seiner Gesamtheit dargestellt. Nach der Besiedlung des Kontinents werden frühe mesoamerikanische Kulturen vorgestellt. Der Schwerpunkt der Bearbeitung liegt jedoch auf der Beschreibung der Maya, Inka und Azteken. Allerdings werden auch die unbekannteren Kulturen des amerikanischen Raumes nicht vergessen.

Letztlich wird Australien und der pazifische Raum vorgestellt. Die Aborigines, ihre Kultur und ihre antiken Plätze werden im australischen Teil ausführlich aufbereitet. Im weiteren Verlauf werden die archäologischen Fundplätze Ozeaniens wie Papua-Neuguinea, Salomon-Inseln, Fidschi und Tonga, ebenso wie die Osterinseln, Neuseeland oder Hawaii erläutert und beschrieben.

Dieses Buch ist ein Gewinn im Bereich der einbändigen Enzyklopädien oder Übersichtswerke, denn das Autorenteam hat ganze Arbeit geleistet. Keine Kultur wurde in diesem Werk besonders präferiert und das Ziel des großen Überblicks wurde erreicht. Jeder Kontinent wurde erfasst und bearbeitet; der Zeitraum umfasst die Anfänge der Menschheit und reicht bis zur frühen Byzantinistik. Das Bildmaterial ist ansprechend und mit bedacht gewählt worden.

Das Werk hat somit den Titel Enzyklopädie verdient.