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Das Forum Romanum. Spiegel der Stadtgeschichte des antiken Rom. - WLA-Online - Wissenschaftlicher Literaturanzeiger
Das Forum Romanum. Spiegel der Stadtgeschichte des antiken Rom.

Die meisten Besucher werden verwirrt sein, wenn sie heute das römische Forum zum ersten Mal besuchen. Es ist einer der Orte, an dem sich antike Geschichte konzentriert und deren Zeugnisse unmittelbar in die Gegenwart hineinreichen. Der Anfang römischer Stadtgeschichte ist an diesem Ort ebenso gut belegt wie deren Ende, ein Zeitfenster also, das das 10. Jahrhundert v. Chr. und das 7. Jahrhundert n. Chr. umfasst. Die Ebene zwischen den Hügeln – Kapitol im Westen, Palatin und Velia um Süden, Quirinal und Viminal im Norden – misst heute von West nach Ost im Kernbereich an die 1000 Meter, auf der sich an die 50 Baureste von Tempeln, Basiliken, Portiken und Bögen drängen. Unverbunden stehen sie neben-, über und untereinander, entsprechend ihrer Erbauungszeit mal höher, mal tiefer im Boden erhalten.

Hier setzt das anzuzeigende Buch in von Klaus Stefan Freyberger (unter Mitarbeit von Christine Ertel) in überarbeiteter Zweitauflage erschienen an, das dem interessierten Leser eine Struktur anbietet, das Forum einer Zeitschiene folgend zu besichtigen. Drei großen Zeiträumen („Von den Anfängen bis zum Ende der Königszeit“, S. 11-30; „Die Zeit der Republik“, S. 31-57; „Von der Kaiserzeit bis zur Spätantike“, S. 58-118) hat Verfasser die heute noch sichtbaren Bauten zugeordnet. Jeder Abschnitt ist reichlich mit sehr gutem Karten- und Bildmaterial zur Illustration und Orientierung ausgestattet. Ein kleiner Kritikpunkt hierbei am Rande: Im Text wird immer zwar auf die Abbildungen im Buch verwiesen, nicht allerdings auf die Objektnummern im Gesamtplan (Abb. 1, S. 12/13), wodurch eine Lokalisierung der Gebäude auf dem Forum erschwert ist. Kurze Anmerkungen vermitteln den kulturhistorischen Hintergrund, sodass der Leser nachvollziehen kann, warum die besprochenen Baureste entstanden sind, mit welchen anderen Bauten sie korrespondierten und wie sich ihr geschichtlicher Werdegang gestaltete. Die aktualisierte Zweitauflage setzt sich zudem kritisch mit den Grabungen des 19. und 20. Jahrhunderts auseinander, die zur Folge hatten, dass das Forum wie heute gut sichtbar in einzelne Segmente zerfallen ist und so z. B. durch die Via die fori imperiali von den Kaiserforen abgeschnitten wurde. Freybergers Appendix „Zur sakralen Topographie auf dem Forum Romanum in republikanischer Zeit“ geht auf die enge Verzahnung dieser beiden architektonisch zusammengehörenden Bezirke ein, diskutiert die sie schildernden Ortsbeschreibungen und skizziert die bauliche Veränderung besonders in der frühen Kaiserzeit, die „die älteren Substrate nahezu ausblendete“ (S. 121) und mit der Inbesitznahme des Palatins über die Foren hinaus das Stadtbild entscheidend veränderte. Ein Nachwort (S. 120), ein kurzes Glossar (S. 131-133), ein Verzeichnis der zitierten Werke antiker Autoren (S. 134) und eine Auswahlbibliografie (S. 135-143) sowie der Bildnachweis (S. 144) sind den beschreibenden Texten nachgestellt.

Wichtig ist Freyberger bei allen seinen Analysen und Interpretationen der Bezug zwischen Bauwerk und erzählter Geschichte, das hierdurch seine Daseinsberechtigung erhalten hat und im Gegenzug dem Mythos durch seine architektonische Ausgestaltung Echtheitscharakter verleiht. Eingriffe in die Bausubstanz bedeuten daher immer auch eine Aktualisierung bzw. Erweiterung von geschichtlichem Bewusstsein, das sich auch literarisch fassen lässt. Freyberger ist es aufgrund dieser Verbindung zwischen Architektur und erzählter Geschichte ungemein wichtig, Überlieferungen antiker Autoren mit den archäologischen Ergebnissen abzugleichen und ggf. die Funktion oder Baugeschichte eines Gebäudes auf dem Forum interpretatorisch umzudeuten oder weitere, bislang wenig beachtete Facetten einer kultischen Nutzung aufzuzeigen. Akribisch verweist er auf beispielsweise Plinius, Titus Livius, Tacitus oder Ovid, ordnet Vorgänger- und Nachfolgebauten zu und zeichnet auf diese Weise für den Leser gut nachvollziehbar ein zeitlich wie topografisch geschlossenes Bild des römischen Forums durch die Epochen hinweg nach.

Der erste Abschnitt des Buches geht auf die Entwicklung des Forums vom Begräbnis- zum Siedlungsplatz ein. Archäologie und Mythen werden vom Verfasser zusammengebracht und auf Grundlage des vorhandenen Befundes interpretiert. Er umreißt die ersten Grenzlinien zwischen dem Wohnareal im Süden und Norden und listet die wichtigsten Heiligtümer auf. Das Lapis Niger nimmt hierin aufgrund seiner Bekanntheit eine Schlüsselposition ein, dessen Kultstätte nach Freyberger vom 6.-1. Jahrhundert v. Chr. In Benutzung war. Denkbar wäre eine jüngere Datierung, da der Stein der zum Heiligtum gehörenden Stele mit Kultinschrift aus Tuffstein aus der Gegend von Veji stammt, die erst im 4. Jahrhundert v. Chr. römisch wurde; bei der vom Verfasser erwähnten Keramik aus der Nähe des Heiligtums, die in das 6. Jahrhundert v. Chr. datiert, könnte es sich dann um Aufschüttungsmaterial handeln (vgl. S. 16). Im weiteren Verlauf geht Autor auf die Ausschmückung des Forums mit Weihgaben ein und stellt weitere Kultbauten wie Regia (Sitz des Rex Sacrorum und des Pontifex Maximus) (S. 23f.), das Heiligtum der Vesta (S. 23) oder den Tempel des Iuppiter Stator (S. 24f.) vor.

Im zweiten Abschnitt wird auf die architektonische Erweiterung des Forums im Zuge der gesellschaftlichen Demokratisierung in republikanischer Zeit eingegangen. Die Verknüpfung der politischen, religiösen, juristischen und ökonomischen Vorgänge mit den funktionalen und symbolischen Räumen der Bürgergemeinde Roms (Populus Romanus), schafft neue Ausdrucksformen wie etwa den monumentalen Tempel der Dioskuren oder den Tempel des Saturn (S. 31). Zahlreiche Ehremonumente bildeten Personen ab, die mit ihren Taten das Ansehen der res publica gesteigert hatten. Auch die militärischen Erfolge Roms, das im 2. Jahrhundert v. Chr. zur Hegemonialmacht in der Mittelmeerregion aufgestiegen war, wurden in Form monumentaler Repräsentationsbauten auf dem Forum sichtbar. Die Basiliken verdrängten viele kleinere, ältere Vorgängerbauten und wurden so „Brennpunkte öffentlichen Lebens“ (S. 38 und Abb. 23/24).

Der dritte und umfangsreichste Abschnitt fasst die Geschehnisse der Kaiserzeit und ihre architektonische Ausdeutung zusammen und weist weiter auf den Niedergang Roms ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. hin. Neubauten wie der Tempel des vergöttlichten Julius Caesar (S. 58-61), der Augustusbogen („Actiumbogen“, S. 61-64), der Partherbogen (S. 68-70), der Titusbogen (S. 86-89), der Tempel des Antoninus Pius und der Faustina (S. 90-92) oder der Bogen des Septimius Severus (S. 92) veränderten das Areal ganz im Sinne der neuen Herrscher; Brände machten Reparaturen sowie Umbauten und Erweiterungen an bereits bestehenden Bauten wie der Basilica Aemilia (S. 71-74, 105-109) oder der Basilica Iulia (S. 74-78, 109-111) nötig, gleichwie an der Regia, dem Tempel der Dioskuren oder dem Tempel der Vesta (S. 79f.). Hinzu traten Nutzbauten wie die Horrea Agrippiana (S. 93-95) oder die Horrea Piperataria (S. 95), die als Ladenzeile fungierten. Kolossal gestaltete sich die Errichtung der Basilika des Maxentius (S. 111-113), in der der Kaiser Audienzen abhalten wollte, was wegen seines Tods 313 n. Chr. noch vor der Einweihung des Gebäudes so nie stattfand.

Um über das Forum zu schlendern oder im Strom der unzähligen Besucher mitzutreiben, braucht es Freybergers Buch nicht. Wer aber das Forum in seiner Funktion verstehen und die Baugeschichte auf sich wirken lassen will, um sich der Faszination des historischen Ortes anzunähern, der hat mit diesem wunderbaren Kompendium einen der derzeit besten Begleiter zur Hand.