Die antike Architektur mit ihren vielfältigen Bautypen und Fachbegriffen erschließt sich dem Betrachter nicht immer auf den ersten Blick. An der präzisen Benennung einzelner Bestandteile einer bestimmten Bauordnung oder Konstruktionsweise scheitert selbst so manch erfahrener Wissenschaftler. Schon Vitruv (1. Jh. v. Chr.) stellte in seiner Abhandlung über die Architektur fest: 'Architecti est scientia pluribus disciplinis et variis eruditionibus ornata ... Opera ea nascitur et fabrica et ratiocinatione. (Vitr. 1,1)' 'Die Bildung des Baumeisters ist mit mehreren Wissenschaftszweigen und mannigfachen Elementarkenntnissen verbunden ... Diese Architektenbildung entspringt aus zwei Faktoren - aus der Praxis und aus der Theorie.' Von den Herausgebern Helge Svenshon, Marion Boos und Franziska Lang, allesamt Mitarbeiter der Technischen Universität Darmstadt, wurden daher 13 Aufsätze kompetenter Wissenschaftler aus den Bereichen der Klassischen Archäologie, Kunstgeschichte, Alten Geschichte, Klassischen Philologie und Architektur zusammengestellt, welche unterschiedliche Aspekte der antiken Baukunst behandeln. Dieses Buch präsentiert aktuelle Forschungsfragen, mit denen sich die Klassische Archäologie und die antike Bauforschung beschäftigen. Dabei werden teilweise ältere Forschungsthemen wieder aufgegriffen und diese aus verschiedenen Perspektiven erneut betrachtet. Hierzu gehört neben der kritischen Auseinandersetzung mit den schriftlichen Quellen vor allem der interdisziplinäre Themenbereich antiker Architektur. Der zeitliche Rahmen der Beiträge dieses Bandes spannt sich von den frühkykladischen Siedlungen über griechische und römische Tempelarchitektur bis hin zum faschistischen Bauverständnis im 20. Jahrhundert ' und reicht somit von der Antike bis in die Zeitgeschichte. Im Speziellen werden einzelne Architekturelemente wie der peripterale Tholos oder verschiedene Volutendarstellungen vorgestellt, welche teilweise bis ins Detail mathematisch durchexerziert werden. Des Weiteren werden Bauten aus verschiedenen geographischen Regionen, so z.B. Samos, den Kykladen, Olympia, Rom oder Priene dem Leser anhand von zahlreichen Skizzen oder Schwarz/Weiß-Abbildungen vorgestellt und Überlegungen zu Form und Funktion dieser Gebäude an passender Stelle eingefügt. Auch werden neue Ansichten vorgestellt: so wird etwa der domitianische Baukomplex von S. Maria Antiqua als unvollendetes Senatsgebäude vermutet und somit frühere Deutungen als Empfangspalast des Kaisers, oder gar einer Art Bildungseinrichtung mit Bibliothek widerlegt. Den Abschluss des Buches bildet ein fiktives Gespräch zweier Bauherren ' ein Architekt aus dem 5. Jh. v. Chr. trifft einen des gleichen Arbeitsbereiches des 20. Jh. n. Chr. Dies ist ein amüsanter Ausklang des Werkes, aber ob es in diesem ausnahmslos lehrreichen und informativen Werk wirklich notwendig ist, sei dahingestellt. Zum besseren Textverständnis sind zahlreiche Abbildungen beigegeben, die z.B. bestimmte Architekturelemente 'en détail' erläutern. In den einzelnen Artikeln sind zahlreiche Fachbegriffe verwendet worden, die für Laien schwer verständlich sind, doch richtet sich diese Publikation aus der Edition Universität (EDU) besonders an Fachwissenschaftler, fortgeschrittene Studenten und Philologen, die der griechischen und lateinischen Sprache mächtig sind. Sehr gut sind die ausführlichen Literaturverzeichnisse am Ende jedes Kapitels zu bewerten.