The Fall of a Sparrow
The Life and Times of Abba Kovner

Einige Facetten des Lebens von Abba Kovner (1918-1987) sind auch hierzulande bekannt: der Dichter und junge Kommandant der Widerstandsbewegung im Ghetto von Wilna, der den ersten Aufruf zum bewaffneten Widerstand gegen die deutsche Besatzung verfasste ' ein Schlüsseldokument der historischen Forschung zum jüdischen Widerstand; der Mitinitiator der illegalen Einwanderung nach Palästina, der Bricha, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs; der Aktivist, der eine großangelegte, dann fehlgeschlagene Racheaktion, Nakam, gegen Deutsche plante, und schließlich der Zeuge, der im Eichmann-Prozess über die Zeit im Wilnaer Ghetto und über den Wehrmachtsfeldwebel und Retter Anton Schmitt sprach ' eine Aussage, die Hannah Arendt eindrucksvoll in ihrem Bericht von der 'Banalität des Bösen' festhielt.

Jetzt liegt eine englische Übersetzung (von Elisabeth Yuval) der 2000 auf Hebräisch erschienenen Biografie Abba Kovners von Dina Porat vor. Dina Porat zeichnet den Lebensweg des Dichters und Aktivisten nach, der sein Leben lang schrieb, aber nie eine Geschichte der Shoah. Sie beschreibt die Spannungen eines Lebens mit den Erfahrungen des Holocaust und beleuchtet kontrovers oder kaum bearbeitete Ereignisse neu durch das Hinzuziehen bisher wenig beachteter Quellen und etlicher, nach dem Krieg geführter Zeitzeugeninterwies. Breiter Raum in der Geschichte des Wilnaer Ghettos wird etwa dem 16. Juli 1943, dem tragischen Tag, der mit der Auslieferung des Kommandanten der Widerstandsbewegung FPO, Yitskhak Witenberg, endete, gewidmet oder den Umständen und Debatten um die Fluchthilfeorganisation Bricha.

Dina Porat verfolgt auch die Wege des streitbaren und visionären Kämpfers in Palästina und Israel: seine Zeit als Informationsoffizier in der Brigade Givat im Krieg für einen jüdischen Staat, seine Kontroversen in der sozialistisch-zionistischen Bewegung Hashomer Hatzair, der er von frühester Jugend angehörte und seine unermüdlichen Bemühungen, die Zeit der Diaspora nicht vergessen zu lassen, was sich in vielen nicht realisierten Plänen niederschlug und u.a. in der Gründung des Museum Beit Hatetsufot in Jerusalem Ausdruck fand.

Der Holocaust und der nachfolgende Krieg in Israel prägten das Selbstverständnis Abba Kovners zeitlebens. Nie vergaß er, worum es ihm ging: die Sicherheit des jüdischen Volkes, dessen Vereinigung in seiner Divergenz (Hativa) und die Bewahrung des vernichteten europäischen jüdischen Erbes, eine Vereinigung von Vergangenheit und Gegenwart. Gegen alle Widerstände hielt er an diesen Leitlinien fest und vergaß auch nie, was er erlebt hatte: Konsequent weigerte er sich, seine Gedichte, die von den Erfahrungen der Shoah geprägt sind, ins Deutsche übersetzen zu lassen, er verurteilte Anfang der 1950er Jahre die Verhandlungen um Reparationszahlungen und später die Aufnahme diplomatischer Beziehungen Israels mit Deutschland.

Dina Porat arbeitet als Biografin und Historikerin. Mit Dokumenten, Briefen, Exzerpten aus der Poesie Abba Kovners, unzähligen protokollierten Zeitzeugenberichten und -debatten, die in Israel geführt wurden, kontextualisiert sie historische Ereignisse, vermittelt die Persönlichkeit eines eindrucksvollen, auch widersprüchlichen Mannes und hat ein Stück jüdische Zeitgeschichte geschrieben.