Neue deutsche Aphorismen
Eine Anthologie

'Je kürzer der Text, desto ungeduldiger der Leser.' (Elazar Benyoëtz)
'Wir haben mehr verloren, als uns fehlt.' (Jürgen Große)

Der Band nimmt seinen Titel ernst, neuen, d.h. jungen deutschsprachigen Aphoristikern eine Chance zu geben (oder ihren potentiellen Lesern, die ein Stück Glück versäumen, wenn sie nicht zugreifen). Gerade einmal zwei der gut neunzig Autoren sind bereits verstorben.
Allgemein wird man im Feuilleton oder anderen nichtzuständigen Stellen lesen und hören, dass der Aphorismus tot ist; er wird 'als Unkraut' gekennzeichnet. Jedenfalls sind das literarische Sonderlinge, u.U. kopflastig und nicht so gefühlig wie die Schöne Literatur sonst. Tot, wie Gott seit Nietzsche, tot wie Lyrik, wie ernstzunehmende Literatur überhaupt. Aber, bekanntlich: Totgesagte leben länger, wie die Herausgeber modifizieren: Das Langlebige wird für tot erklärt.
Die Leute tun indes was, sie zeigen, dass sie leben: seit 2004 gibt es ein Aphoristikertreffen, mehr als drei Dutzend versammelten sich beim zweiten Treffen in Hattingen. Das ist beachtlich.

Tobias Grüterich, Alexander Eilers und Eva Annabelle Blume legen nach zweijähriger Recherche eine außerordentlich sorgfältige Bestandsaufnahme vor: Aus über 200 Bänden, auch unveröffentlichten Manuskripten, aus über 160 000 Stück haben sie die besten Aphorismen der letzten 25 Jahre ausgewählt, 1308 Stück, darunter Elazar Benyoëtz, Franz Josef Czernin, Jürgen Große, Peter Handke, Franz Hodjak, Ulrich Horstmann, Manfred Rommel, Michael Rumpf, Hans Saner, Werner Schneyder, Hans-Horst Skupy, Sulamith Sparre, Elisabeth Turvold, Gerhard Uhlenbruck und Martin Walser.
Das nützliche Nachwort erörtert naheliegende Fragen hochkompetent, etwa, ob ein guter Aphorismus einen neuen Gedanken enthalten muss. Die Antwort ist eine Philippika gegen den Innovationswahn, der teils nur Kulissen schiebt. Oder ob der Aphorismus lang sein darf und so in die Chance gerät, zu einem Essay zu werden.
Bio- und Bibliographien stellen die Autoren vor, ein Stichwortverzeichnis (Deutsch, Dummheit, Glück, Gott) ermöglicht auch die gezielte Suche nach bestimmten Themen und Motiven.