Der Beginn des Neuen Reiches
Zur Vorgeschichte einer Zeitenwende

Mit dem Begriff des Neuen Reiches verbinden wir klangvolle Pharaonennamen wie Hatschepsut, Tutanchamun und Ramses II. = Ramses den Großen.
Umso erstaunlicher ist es, dass der Beginn dieser Epoche der ägyptischen Geschichte mehr oder minder im Dunklen liegt. Die vorliegende Arbeit von Daniel Polz, aus seiner Habilitationsschrift heraus entstanden, beleuchtet nun gerade diese Zeitstufe. Der zeitliche Rahmen der Arbeit erstreckt sich vom Ende der 17. Dynastie bis zur Mitte der 18. Dynastie. Geographisch liegt der Schwerpunkt in Theben, dem heutigen Luxor, und Oberägypten. Dieser geographische Schwerpunkt mag vorerst verwundern, er liegt jedoch in der Fundsituation begründet.
Im ersten Abschnitt erarbeitet Polz als Grundlage seiner nachfolgenden Erläuterungen eine neue Herrscherreihe der 17. Dynastie. Die bisher vorliegenden Herrscherabfolgen der 17. Dynastie waren nicht unumstritten, wie auch die von Polz vorgestellte Reihe nicht ohne, auch von ihm selber thematisierten, Schwachstellen ist. Neue Befunde ergaben allerdings veränderte Eckdaten, denen Polz in seiner Abfolge Rechnung trug.
Die baulichen Hinterlassenschaften dieser Herrscher werden im folgenden Block, topographisch sortiert und ausführlich dargestellt. Polz beschränkt sich hierbei nicht nur, wie die Überschrift 'Königliche Bautätigkeit in der 17. Dynastie' vermuten lassen würde auf Tempelneu- oder -umbauten. Sein großzügig gefasster Begriff der Bautätigkeit umfasst neben Arbeiten an Tempelbauten auch Grabbauten, Nachrichten von Steinbruch- und Minenexpeditionen, sowie Dokumente zur Statuen- und Bauteilherstellung oder 'stiftungen. Relevante private Monumente wurden ebenfalls aufgenommen, so dass am Ende ein umfangreicher Katalog zu der Hinterlassenschaft und den Zeugnissen der Herrscher der 17. Dynastie entstanden ist.
In dem anschließenden, umfangreichsten Abschnitt der Arbeit beschreibt der Autor ausführlich die bekannten, vermutlich königlichen, Grabanlagen der ausgehenden zweiten Zwischenzeit und des beginnenden Neuen Reiches in Theben. Hierbei handelt es sich um das Grab des Nub-Cheper-Re Intef in Dra Abu el-Naga, dessen Ausgräber Polz ist, sowie das im östlichen Asasif gelegene Pyramidengrab eines unbekannten Herrschers. Dieses Grab wurde 1913 von Herbert E. Winlock im Auftrag des Metropolitan Museum New York ergraben, doch nie richtig publiziert. Polz konnte hierbei auf die unveröffentlichten Aufzeichnungen Winlocks zurückgreifen und macht Teile davon, auf der dem Buch beigefügten DVD, allgemein nutzbar. Er tendiert, ähnlich Winlock, bei aller gebotenen Vorsicht zu einer Zuweisung des Grabes an den früh verstorbenen Königssohn des Sequenenre, Ahmose Sapair.
Es folgt eine Beschreibung des Grabes K94.1. Diese, bereits von Howard Carter zwischen 1908 und 1913 untersuchte, doch nicht publizierte, Grabanlage wurde 1994 vom Deutschen Archäologischen Institut nachuntersucht. Die Nachuntersuchung ergab wichtige Hinweise zur Eingrenzung der Datierung der Erstnutzung des Grabes. Nach einem ausführlich erläuterten Ausschlussverfahren möglicher Kandidaten schlägt Polz als möglichen Grabinhaber Kamose vor.
Nach der ausführlichen Beschreibung des Grabes K93.11, in dem Polz das Königsgrab Amenophis I. sieht und einer Darlegung der Nachweise dieses Grabes in altägyptischen Textquellen folgt ein Exkurs zum p3 mr, dem Pyramidengrab. Dieser Bezeichnung von Grabanlagen im Grabräuberpapyrus wird eine archäologisch gestützte Befundlage gegenübergestellt, die eine wörtliche Deutung des Begriffes p3 mr als Gräber mit einer Pyramide immer wahrscheinlicher werden lässt.
Hier und anderorts in seinem Werk greift der Autor zeitlich zurück in die 11. Dynastie. Eine Zeit in der schon einmal von Theben das Reich geeinigt wurde. Ein Höhepunkt thebanischer Geschichte.
Anknüpfungspunkte zwischen beiden Glanzzeiten thebanischer Geschichte werden aufgezeigt und ihre feinen Unterschiede erläutert. So ganz deutlich in dem späteren Kapitel über Saffgräber und Grabkegel. Das Saffgrab ist eine regional auf den Großraum Theben beschränkte Grabform des Mittleren Reiches, die sich ab Ende der Zweiten Zwischenzeit hier wiederfindet. Die Grabkegel, ein Element der Saffgrabarchitektur, finden sich mit veränderter Bedeutung ebenfalls beim Aufleben der Saffgräber ab Ende der Zweiten Zwischenzeit wieder.
Zwischendurch entführt Polz seine Leser weg von Dra Abu el-Naga ins Tal der Könige und versucht eine Rekonstruktion des frühen Belegungsablaufes der königlichen Bestattungen an diesem Ort. Eine Beschreibung der privaten Grabanlagen der Zweiten Zwischenzeit in Theben rundet seine Arbeit ab.
Nach dieser gründlichen und umfassenden Darlegung der vorhandenen Hinterlassenschaft der Zeit des Beginns des Neuen Reiches kann Daniel Polz nun in einem Kapitel den Versuch einer zusammenfassenden Darstellung dieser Epoche wagen.
Es folgen zwei Kapitel die der Autor mit 'Annotierten Katalog der Monumente und Objekte der 17. Dynastie' und 'Bibliographische Dokumente' überschreibt.
Dahinter verbergen sich zwei unentbehrliche Handwerkszeuge die dieses Buch jedem mit dieser Fragestellung weiterarbeitendem Kollegen und Interessierten an die Hand gibt. Ersteres, der 'Annotierte Katalog', ist eine chronologisch und innerhalb dieser Sortierung auch geographisch gegliederte Auflistung der datierbaren Monumente und Objekte der 17. Dynastie die neben deren technischen Daten auch ihre wichtigste Bibliographie auflistet. Neben den königlichen Zeugnissen werden hier auch nicht-königliche Objekte aufgeführt, wenn sie einen Königsnamen tragen.
Das Zweite, die bibliographischen Dokumente, bringt auszugsweise die wichtigsten 'frühen neuzeitlichen Äußerungen zu Lage, Auffindung und Architektur der Grabanlage des Nub-Cheper-Re Intef und einiger weiterer Objekte im Wortlaut'. Hierbei handelt es sich um heute nur schwer zugängliche Literatur des des 19. Jahrhunderts.
Womit dem Leser umfangreiche Handwerkszeuge gegeben werden um nicht nur der Argumentation des Autors zu folgen, sondern sich auch eine eigene Meinung dazu bilden zu können.
Zwei umfangreiche Zusammenfassungen in arabischer und englischer Sprache schließen den Texteil ab.
Es folgen noch eine Bibliographie, ein Bildverzeichnis und Index sowie ein Tafelteil und mehrere Falttafeln.
Zum Werk gehört eine DVD mit mehreren farbigen und unpublizierten Grundrissen zu dem von Winlock gefundenen Pyramidengrab und eine recht anschauliche 3D-Rekonstruktion des Grabes von Nub-Cheper-Re Intef.

Daniel Polz hat mit diesem Werk eine umfassende und ausführliche Darstellung der archäologischen, historischen und philologischen Zeugnisse der ausgehenden 17. Dynastie und dem Beginn der 18. Dynastie vorgelegt. Eine wertvolle Fundgrube aber auch für die eher spärliche Hinterlassenschaft des Mittleren Reiches in Theben, die hier stellenweise neu datiert, rekonstruiert und zur Diskussion gestellt wird. Aufgrund der breit gefächerten Themenvielfalt wird kein an der Zweiten Zwischenzeit und der thebanischen Nekropole im Neuen Reich Interessierter in den kommenden Jahren an dieser Arbeit vorbeikommen.