Politische Theorie und Ideengeschichte

Seit geraumer Zeit debattieren deutsche Historiker über eine adäquate Form der 'Geschichte der Politik'. Die einen plädieren für eine 'Kulturgeschichte des Politischen', die anderen verstehen ihre Form der politischen Geschichte 'als in einem umfassenden epistemologischen Sinne als hermeneutisch, fragegeleitet und problemorientiert' und 'dabei perspektiven- und methodenpluralistisch' vorgehend [vgl. Barbara Stolberg-Rilinger, Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, in: Dies. (Hg.), Was heißt Kulturgeschichte des Politischen? (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 35), Berlin 2005, S. 9-24; Andreas Rödder, Klios neue Kleider. Theoriedebatten um eine Kulturgeschichte der Politik in der Moderne, in: Historische Zeitschrift 283 (2006), S. 657-688, Zitat S. 659.] Neben einem Dissens über die epistemologischen Voraussetzungen historischer Erkenntnis steht im Zentrum dieser Diskussion nicht zuletzt der Begriff der Politik.
Was ist das 'Politische', was ist 'Politik'? Diese grundsätzliche Frage gilt es zu klären, bevor man über die Erforschung ihrer Historie zu streiten beginnt. Und genau darin liegt das Problem, denn eine 'richtige und universal gültige' Antwort auf diese Frage gibt es nicht, wie Marcus Llanque und Herfried Münkler in ihrer Einleitung zum hier vorliegenden 'Lehr- und Textbuch' über 'Politische Theorie und Ideengeschichte' unmissverständlich klar stellen. Es gibt nur 'die möglichst reflektierte und aufgeklärte Übung und Kenntnis, in welcher Weise das Politische in seinen unterschiedlichen Gestalten und Zusammenhängen beschrieben werden kann' (7). Politik, soviel kann gesagt werden, ist handlungsbezogen, es geht um die Durchsetzung von Handlungen und Entscheidungen, damit auch um die Macht, dies zu tun, und: 'Politik bewegt sich in einem Spannungsfeld von Normen, Institutionen und Aktionen' (9).
Wie über Politik gedacht wurde und wird und wie die Dimensionen des 'Politischen' definiert wurden und werden, darüber informiert dieses 'Lehr- und Textbuch', das in vier Abschnitte, gegliedert ist, die sich in ihren Inhalten an der oben zitierten 'Umschreibung' des Politischen orientieren: I. 'Das Politische: Grundmodelle des Politischen zwischen Ordnung und Konflikt', II. Politisches Agieren und Akteure der Politik' (1. Herrschen, Disziplinieren und Regulieren, 2. Krieg und Frieden 3. Revolution und Rebellion, 4. Bürgerliche Gesellschaft, 5. Politische Akteure), III. 'Politische Institutionen' (1. Eigentum, 2. Staat, 3. Die Demokratie und ihre Gefährdungen, 4. Faktionen, Parteien, Parlamente, Repräsentation) und IV. 'Politische Normen' (1. Entstehung und Typen politischer Normen, 2. Freiheit und Gleichheit).
Auf knappe Einleitungen zu den einzelnen Problemfeldern (z.B. Krieg und Frieden [95 125], 'Der Staat' [239 284] oder 'Entstehung und Typen politischer Normen' [341 372]) folgen kurze Auszüge aus dem Schrifttum, von der Antike bis in die unmittelbare Gegenwart reichend, sowie eine Liste mit weiterführender Literatur. Der Leser erhält somit eine problemorientierte Einführung in die Ideengeschichte der politischen Theorie. Die jeweiligen Einleitungen benennen bzw. heben die wesentlichen Problemfelder heraus und weisen auf zentrale Ideen der Autoren hin (etwa Herfried 'Münkler über Krieg und Frieden' [95 108], oder Marcus Llanque über 'Entstehung und Typen politischer Normen' [341 350]), jedoch ohne dass sie bereits eine interpretative Richtung vorgeben. Der Reiz der Konzeption des Bandes besteht nicht zuletzt darin, problemorientierte Stellungnahmen nebeneinander legen zu können, die von der Antike bis in die Gegenwart reichen.
Somit liegt ein Lehrbuch vor, das nicht nur direkt in die Bandbreite des Ringens um das 'Wesen des Politischen' einführt, sondern auch zur vollständigen Lektüre der hier nur in 'Schnipseln' vorliegenden Texte anregt. Letzteres wird nicht zuletzt durch an jeden Abschnitt angehängte weiterführende Literaturhinweise erleichtert. Über die Autoren der Textauszüge informieren knappe biographische Stichworte (444-465). Der Band wird sich sicherlich im Lehrbetrieb bewähren, gleich ob in der Politik- oder Geschichtswissenschaft.
Und die Debatte der Historiker? Sie wird durch dieses 'Lehrbuch' nicht entschieden, es wird aber deutlich, was 'Politikgeschichte', ob kulturalistisch gewendet oder 'traditionell', behandeln muß: Die Ausprägungen von Macht und Gewalt, von Akteuren und Ideen, von Entscheidungen, von Rahmen und Normen menschlichen Zusammenlebens im historischen Wandel und in den spezifischen Kontexten.