Leben und Wohnen in der römischen Stadt

Eine kurze, übersichtliche Einführung in das Wohnen während der römischen Zeit und in die Stadtentwicklung sowie in die Bedeutung von Städten suchte man bislang vergebens. Und auch die Arbeit von Christiane Kunst kann nur ein begrenztes Bild nachzeichnen, das sich auf schriftliche Quellen und archäologische Zeugnisse vor allem aus Rom, Ostia und Pompeji stützt. Hierbei, auch das liegt an der Quellensituation, steht die römische Kaiserzeit im Fokus, wenn auch die Autorin immer wieder über die oben formulierten Grenzen örtlich und zeitlich zu blicken vermag.
Das Buch verlangt vom Leser ein gewisses Maß an Voraussetzungen, Lateinkenntnisse sind von Vorteil, Wissen von historischen Begebenheiten, und ebenso ist es günstig, sich in der Topografie Roms und Pompejis auszukennen. So schreibt Kunst z. B. von den verschiedenen römischen regiones, die aber etwa in der Abb. 3, 'Stadtplan von Rom', nicht eingezeichnet sind (genauso wie der Leser wissen muss, wo die Servianische und die Aurelianische Stadtmauer verlaufen, die zwar im Text genannt, aber in der Abbildung nicht ausgezeichnet sind). Die Stärken des Bandes überwiegen aber bei weitem.
Nach einer definitorischen und kulturhistorischen Einführung in den Begriff 'Bauen', entwickelt Kunst über die Stadtentwicklung kommend die Nutzung von Haus und Raum. Diese didaktisch ansprechende Vorgehensweise führt den Leser systematisch in die Architektur und den Charakter von Häusern und Hausbau ein. Kunst legt zurecht den Schwerpunkt auf die Repräsentanz der Gebäude, widmet sich ausgiebig der Wohnlage der Häuser und ihrer verschiedenartigen Verwendungsmöglichkeiten und nachweisbaren Umgestaltungen. Archäologische Befunde bringt sie, wenn irgendmöglich, mit schriftlichen Quellen in Übereinstimmung, um ihre Thesen und Rückschlüsse nachhaltig zu zementieren. Einen Epilog bildet das Kapitel 'Wohnen nach dem Tod', in dem Kunst aufzeigt, dass die theoretischen und praktischen Wohnideen der Lebenden konsequent für die Grablege übernommen bzw. umgesetzt worden sind. Im Anhang finden sich äußerst nützliche Detailpläne zum allgemeinen Hausgrundriss und zu ausgewählten Häusern wie z. B. das des Menander, des Sallust oder des sog. Haus des Fauns. Ein kurzes, aber hilfreiches Register schließt das lesenswerte Buch ab.
Die gute Bebilderung, z. T. mit Rekonstruktionszeichnungen, die beigegebenen Pläne (Ausnahme Abb. 4, Stadtplan von Pompeji, Einfärbungen!) und der vorbildlich gestaltete Anhang werten den Band über den Inhalt hinaus zusätzlich auf, wobei die Verzahnung zwischen Text und Bild durch Verweise deutlicher gemacht werden könnte. Leben und Wohnen in der römischen Stadt ist ein durchweg empfehlenswertes Buch, für Studierende, Interessierte, nachbardisziplinäre Wissenschaftler. Es stellt in einem gut leserlichen und straffen Stil kurz und knapp, dabei äußerst informativ, die relevanten Quellen und Befunde zu den Wohngewohnheiten der Römer auf hohem wissenschaftlichem Niveau ab.