Bereits seit über dreißig Jahren hat sich die Feministische Linguistik im deutschsprachigen Raum etabliert. Von Anfang an hat sie sich dabei als sprachkritisch und sprachpolitisch verstanden, was ihr nicht unerheblichen Widerstand sowohl seitens der etablierten Wissenschaft als auch der Öffentlichkeit beschert hat. Im Mittelpunkt standen die Kritik am als sexistisch erkannten Sprachsystem und Sprachgebrauch und das Ziel, dieses aufzudecken und eine geschlechtergerechte Sprache zu etablieren. Während der Sprachgebrauch jedoch in zahlreichen Untersuchungen einer kritischen Analyse unterzogen wurde, blieben Untersuchungen zum Sprachsystem und insbesondere zur Lexik (sieht man von gelegentlichen Fallstudien zu den bekannten Personenbezeichnungen und Phrasen einmal ab) eher rar. Dabei ist die Interdependenz zwischen individuellem Sprachgebrauch und androzentrischen grammatischen Sprachstrukturen sowie lexikalischem Sprachgebrauch evident und deshalb, so die Verfasserin, 'muss gendersymmetrische Sprachverwendung ohne Rückbindung an die Norm [...] eine unbefriedigende Sache bleiben, weil die Umsetzung der Forderungen feministischer Linguistik auf einzelne Gruppen beschränkt bleibt' (S. 10).
Von dieser Prämisse ausgehend stellt sich Pober die Frage, ob und wie sich die Versprachlichung der veränderten Geschlechterzuschreibungen und -rollen im weiblichen und männlichen Menschenbild zu Beginn des 21. Jh. in den Normierungsinstanzen wie den Wörterbüchern darstellt und welche onomasiologischen Grundlagen für die Motivation menschlicher Sachverhalte gegeben sind.
Aufschlussreich sind bereits die der Analyse zugrunde gelegten Begrifflichkeiten. So schränkt Pober das Ziel, eine geschlechtergerechte Sprache zu etablieren, auf den Sprachgebrauch ein, da es sich hierbei um einen gesellschaftspolitischen Begriff handele, der sehr viel mehr Implikationen moralischer und sozialer Art enthalte, als der von der Verfasserin bevorzugte und rein auf die semantisch-morphologische Struktur bezogene Begriff der Gendersymmetrie. Der symmetrische Ansatz fordere eine formale Symmetrie weiblicher und männlicher Bezeichnungen analog zur Personenstatusänderung der Geschlechter und somit die Schaffung eines Bezeichnungsystems, das in allen Registern, stilistischen Nuancen und Bewertungen quantitativ und qualitativ gleichwertige Lexeme zur Verfügung stellt. Mithin geht es um die Herstellung einer Gendersymmetrie nach onomasiologischen Gesichtpunkten innerhalb des Bezeichnungssystems der Menschen. Zentral ist weiterhin die Dekonstruktion der traditionellen präfeministischen Geschlechtskonzeption, die an die Begriffe Menschenweibchen / männlicher Mensch gebunden wird.
Ausgehend von der Darstellung allgemeiner Kritikpunkte Feministischer Linguistik geht es im Folgenden um eine systematische Wörterbuchanalyse, die quantitativ und qualitativ angelegt und neben Artikeldefinition, Sublematisierung, Polysemie auch die Sinnrelationen der untersuchten Lemmata erfasst.
Anschließend wird die asymmetrische Geschlechterdarstellung anhand des Wortfeldes Frau : Mann dargestellt, wobei die weiblichen und männlichen Basislexeme sowie Personenbezeichnungen des Wortfeldes bezüglich ihrer Morphologie, Motivierung und semantischen Bedeutungsbelegung einer gendersymmetrischen Analyse unterzogen werden.
Im letzten Kapitel schließlich stehen die metasprachlichen Genderasymmetrien in der Standardsprache im Mittelpunkt. Dabei wird herausgearbeitet, dass den weiblichen und männlichen Geschlechtscharakteren die Paradigmen Zeit, Raum und Sexus in ihren geschlechterdifferenten Aspekten übergeordnet sind. Während das biologische Alter vornehmlich bei weiblichen Personenbezeichnungen versprachlicht wird, ist es das chronologische Alter bei den männlichen. Der Raum hingegen wird konkret und metaphorisch in die privaten Sphäre der Frauenorte und die öffentliche Sphäre der Männerorte aufgeteilt. Und auch die Sexualität wird oppositionell kontradiktorisch zwischen den Geschlechtern entgegen den biologischen Voraussetzungen androzentristisch zugeteilt und als 'Menschenweibchenstatus' und 'männlicher Menschenstatus' versprachlicht.
Im Ergebnis ihrer umfangreichen und akribischen Untersuchungen gelangt Pober zu der Erkenntnis, dass die systematische Verankerung männlicher Überlegenheit bis heute auf allen sprachlichen Ebenen, auch in den Syntaxregeln, als nur obligatorisch maskuline, aber fakultative feminine Genus-Sexus-Kongruenz verankert ist. In dieser Hinsicht hat die Feministische Linguistik die Lexik der Gegenwart kaum tangiert, da sowohl das Suffix -in als auch die Einführung der Komposita mit dem Grundwort -frau allenfalls quantitative Ergänzungen weiblicher zu männlicher Personenbezeichnungen sind, die aber qualitativ und konzeptionell nichts an der Versprachlichung des präfeministischen weiblichen und männlichen Geschlechtscharakters ändert. Demnach könne nur eine konsequente Feminisierung bzw. Maskulinierung aller heute noch geltenden Personenbezeichnungen beide Geschlechter als ganzen weiblichen und männlichen Menschen abbilden und eine gendersymmetrische dekriptive Darstellung der Geschlechter garantieren.
Zusammenfassend stellt Pober fest: 'Einem überdimensionierten ♀Menschenweibchen♀ steht bis heute ein relativ unbekanntes ♂Menschenmännchen♂, einem unbekannten ♀♀weiblichen♀ ♂Menschen♂♀ ein überdimensionierter ♂♂männlicher♂ ♂Mensch♂♂ gegenüber. Zusätzlich zur oppositionellen geschlechtsspezifischen Aufteilung des ♀♂weiblichen und männlichen Menschseins♂♀ wird das Weibliche hyperrealistisch benannt und pejorisiert, während das Männlich idealisiert und meliorisiert wird, was einer rechtlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung der ♀Frau mit dem Mann♀ nicht mehr entspricht' (S. 440).
Nein, eine leichte Kost ist dieses Buch nicht; es bietet aber ein Vielzahl von Anregungen in Bezug auf die Möglichkeiten eines gendersymmetrischen Sprachsystems, auch wenn abschließend die Frage erlaubt werden muss, ob nicht das der gesamten Arbeit strikt zugrunde liegende heterozentristische Menschenbild selbst ein Relikt präfeministischer Zeit ist.