Unterschied und Widerspruch
Perspektiven auf das Werk von Hans Heinz Holz

Akademischen Festschriften unterläuft oft, dass sie, was sie würdigen, in gewissen Sinn schon zum alten Eisen der Historie stellen. Das mag den Gattungskonventionen solcher Schriften entsprechen, in denen allemal Einer zu feiern ist; der denkerischen Geste von Hans Heinz Holz, der im Frühjahr achtzig Jahre wurde, widerspricht es gewiss. Die Herausgeber des vorliegenden Bandes der Entstehung wollten solchen wie Nachrufe zu Lebzeiten klingenden Beiträge vorbeugen, indem sie ihn nicht primär dem Philosophen Holz, sondern seiner Philosophie widmeten. Ziel sei gewesen, 'aus kritischer Distanz die Anregungen und Impulse darzustellen, die von der Zusammenarbeit und den Kontroversen mit Holz [...] ausgegangen sind [...]. Der perspektivische Blick aus dem je eigenen 'point de vue' und konstruktiver Widerspruch sollen den leibnizeanischen Dialektiker Holz im gegenwärtigen philosophischen Diskurs lebendig sein lassen' (S. 7).
Nicht immer folgen die 'points de vue' der Beiträger dieser Vorgabe. So werden etwa auch Holz' Wirken als Kunst- und Theaterkritiker (Rolf Wedewer, Lukas Suter und Peter Schweiger) und politischer Publizist (enzyklopädisch: Friedrich-Martin Balzer; eindrucksvoll: Alfred J. Noll über Holz' Eingriffe zur Notstandsgesetzgebung 1964-67) dargestellt und diskutiert; die ästhetischen Überlegungen zum Konstruktivismus in der modernen Malerei greifen Hans Jörg Glattfelder und Hans Joachim Albrecht auf. Helwig Schmidt-Glintzer schließlich (Das 17. Jahrhundert und die Anfänge der Wissenschaft von China in Europa) leistet aus sinologischer Perspektive einen materialen Beitrag zu Holz' von Leibniz ausgehender Rekonstruktion der säkularen Moderne.
Die philosophisch aufregende und fruchtbare Auseinandersetzung mit Holz eröffnet Jörg Zimmer (Lógos akribés. Natur und Gehalt metaphysischer Modelle). Die für Holz zentrale Widerspiegelungsmetapher sei, weil sie eine 'Intuition der Relationalität' ermögliche (S. 35), unverzichtbar in der Reflexion von 'Welt-Totalität'; zugleich sei sie solcher Reflexion angemessen, insofern ihr eine wesentliche heuristische Funktion zukomme. Christoph Hubig (Identität und Nichtidentität. Kleiner Kommentar zu HHH's 'Koordinaten dialektischer Konstruktion') bezweifelt diese Angemessenheit aus begrifflichen Gründen: die Spiegelmetapher, gewonnen an Leibniz' Metapher der Monade als 'Spiegel des Universums', kranke an einer 'Amphibolie', wenn sie 'materialistisch' verstanden werden soll. Die Deutung müsse dann zu einer isomorphistischen Abbildtheorie geraten: 'Die Spiegelmetapher stößt dort an ihre Grenzen, wo sie ihren Bildcharakter selbst nicht mehr spiegelt' (S. 22). Noch schärfer fasst es Angelica Nuzzo (Hegels dialektische Logik: 'absolute Idee' und Weltbegriff) mit Blick auf Holz' Hegellektüren: 'Innerhalb der Entwicklung der Hegel'schen Logik bleibt das reflexive Modell der Widerspiegelung auf dem Niveau der Wesenslogik mit ihrer konstitutiven Dualität stehen [...]. Wenn Holz Hegels dialektisches Verfahren der 'Darstellung' als (Leibniz'sche) 'repraesentatio' andeutet, bleibt er noch innerhalb eines dualistischen, wesenslogischen Modells stehen' (S. 90). Aus dieser Perspektive sind Holz' jüngeren Bemühungen um die Formulierung einer philosophischen Anthropologie ganz konsequent; sie wären dann nur, entgegen seiner Selbstauffassung, weniger von Hegel her gedacht, sondern dienten der materialistischen Fundierung von an Leibniz orientierten Überlegungen.
Es mag gerade die Konsequenz im undogmatischen Verfolgen eines aufgeklärt metaphysischen Denkens sein, die solche Brüche und ' womöglich ' Irrwege erzeugen kann. Holz weiß darum; so ist ihm, wie Dieter Kraft zeigt (Das Verhältnis von Philosophie und Theologie im Denken von HHH), die Nähe seines dialektischen Denkens zu Formen theologischer Reflexion stets bewusst. Man möchte es augenzwinkernd lesen, wenn Kraft mit Holz etwa die Trinität nicht nur als dialektisch denkbares Theorem rekonstruiert, sondern als genuin philosophisches Problem empfiehlt. 'Der Maulwurf der Dialektik', heißt es bei Holz, 'gräbt intra und extra muros'. Das zeigen die Beiträge dieser Festgabe, indem sie ungeachtet 'unterschiedlicher weltanschaulicher Richtungen' (S. 7) das Philosophieren von Hans Heinz Holz ernst nehmen und freundschaftlicher, aber sachlich angemessener Kritik aussetzen. Das ist nicht nur dem Projekt des Jubilars angemessen; es spricht sich darin auch das Versprechen aus, dass es philosophisch lohnenswert ist, Holz' so fernab theoretischer Moden verfolgtes dialektisches Denken (wieder) zu entdecken.