Ob es nun die ehemaligen Magisterstudiengänge oder die Lehramtsstudiengänge bzw. jetzt die neuen Bachelor- und Master-Studiengänge betrifft, die deutsche Sprachgeschichte gehört in allen germanistisch-sprachwissenschaftlich angelegten Studiengängen nach wie vor zum Studienprogramm. Wenn man von Standardwerken spricht, dann trifft das uneingeschränkt auf das von Wilhelm Schmidt vor vierzig Jahren konzeptionell erarbeitete und nun bereits in der 10. Auflage erscheinende Lehrbuch zu. Dieses Lehrbuch beeindruckt durch seinen kompakten Aufbau, der einerseits einen umfassenden Überblick über die Vorgeschichte und Geschichte des Deutschen bis zur unmittelbaren Gegenwart bietet und andererseits darüber hinaus noch historische Grammatiken des Althochdeutschen, des Mittelhochdeutschen und des Frühneuhochdeutschen in sich vereint. Der Urheber wie auch die Herausgeber der aktuellen Auflage nehmen damit allerdings auch eine Trennung von Sprachhistoriographie und Historischer Grammatik in Kauf, die ihren Ausdruck in einer Phasenverschiebung zwischen beiden Gegenstandsbereichen mit sich bringt. Die Gründe dafür werden im Einführungskapitel von Helmut Langner erläutert.
Die Sprachhistoriographie zur Vorgeschichte und Geschichte der deutschen Sprache überzeugt durch die konsequente Umsetzung der eingeführten Periodisierung. In Kapiteln von annähernd gleichem Umfang werden neben den 'klassischen' Themen gerade auch in Bezug auf die jüngere und jüngste Geschichte aktuelle Themen germanistischer Sprachgeschichtsschreibung vorgestellt. So reicht denn das Spektrum der Sprachistoriographie von der 'Indogermanenfrage' über die Genese des Wortes 'deutsch', die 'höfische Dichtersprache', die Reformation und die 'Sprachgesellschaften' bis hin zur 'Entwicklung der deutschen Orthographie' und der Bedeutung von 'Sprache und Kommunikation im Computerzeitalter'. In diesem Zusammenhang wäre es wünschenswert, wenn es gelänge, die einzelnen Perioden deutscher Sprachgeschichte konzeptionell vergleichbar zu beschreiben. Dieser breit gefächerte Überblick bietet dem Rezipienten mit dem Verweis auf die jeweilige Forschungsliteratur zwar die Möglichkeit, tiefer in die entsprechende Problemstellung vorzudringen, und eröffnet gleichzeitig auf diese Weise den Blick auf alte und moderne sowie auch kontrovers diskutierte Problemstellungen der germanistischen Sprachgeschichtsforschung, erschwert aber auch die Entwicklung eines Gesamtbildes sowie die Einsicht in Konstanten und Veränderungen im sprachgeschichtlichem Kontinuum.
Im Gegensatz zu den sprachhistoriographischen Kapiteln sind die historischen Grammatiken einheitlich aufgebaut: Einleitung, Schreibung, Lautlehre, Formenlehre, Satzbau. Die Grammatiken folgen dem traditionellen Aufbau historischer Grammatiken mit der Schwerpunktsetzung auf Laut- und Formenlehre. Lediglich in der Grammatik des Frühneuhochdeutschen wurde die Ebene der Schreibung etwas weiter ausgebaut. Der konzeptionell vergleichbare Aufbau dieser Grammatiken bringt einerseits einen Gewinn an Systematizität und Vergleichbarkeit, birgt in sich andererseits die Gefahr der Redundanz. Deutlich wird das, wenn Lautwandelprozesse sowohl im Althochdeutschen als auch im Mittelhochdeutschen (z.B. Alternanz und Umlaut) oder im Mittelhochdeutschen und im Frühneuhochdeutschen (z.B. Monophthongierung, Diphthongierung, Dehnung und Kürzung) abgehandelt werden. Dieser Gefahr entgehen die Verf. auch nicht bei der Ausbreitung der Formenlehre, wenngleich hier der Bezug zur sprachgeschichtlichen Periode durch die entsprechenden Beispiele deutlich gegeben ist. Bei einer solchen Anlage des Lehrbuches wäre es wünschenswert, wenn man vom Althochdeutschen bis zum Frühneuhochdeutschen vergleichbares Sprachmaterial verwenden und durch metakommunikative Textverweise auf die jeweils andere Periode Veränderungen anzeigen würde.
Zusammenfassend verdient das Lehrbuch große Anerkennung, wird doch mit der 10. Auflage eines Buches die Akzeptanz einer Konzeption und deren didaktische Umsetzung deutlich.