Die 'Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus' können inzwischen auf eine über zwanzigjährige Geschichte zurückblicken ' und bei allen Veränderungen sind sie eines über die gesamte Zeit hinweg geblieben: Ein Forum für eine unbequeme Auseinandersetzung mit der NS-Zeit, in dem immer wieder die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Moderne und nationalsozialistischer Gewaltherrschaft aufgeworfen wurde. Nimmt man diesen Anspruch als Maßstab, so kann der neueste Band als ein weiterer anregender Baustein in dieser Reihe betrachtet werden.
Thema der Publikation sind die verschiedenen Formen von Sondergewalten, die neben den bereits bestehenden Machtzentren des NS-Staates zwischen 1933 und 1945 geschaffen wurden. Die zahlreichen Reichskommissare, Generalinspekteure oder Bevollmächtigten sind bisher unter dem Begriff der 'Polykratie' zumeist als Anzeichen einer zunehmenden Zersplitterung und damit eines fortschreitenden Niedergangs des Herrschaftssystems gedeutet worden. Anliegen der in dem Band versammelten Beiträge ist es, diese Sichtweise in Frage zu stellen und die häufig unkoordiniert erscheinende Installierung neuer Strukturen stattdessen als Ausdruck einer andauernden Mobilisierungsfähigkeit des Regimes zu begreifen. Die Autoren sind hierbei in der Mehrzahl junge Historiker/innen, die auf diesem Weg Ausschnitte ihrer laufenden Promotionen oder Habilitationen präsentieren.
In den Blick geraten für den Fortbestand des NS-Staates zentrale Felder, darunter die Bauwirtschaft, Wasser und Energie, die Preispolitik oder die Kohlenwirtschaft. In allen diesen Bereichen gab es Versuche, aufkommenden Problemen durch die Zentralisierung von Kompetenzen in Gestalt von Sonderbeuftragten zu begegnen. Auffällig ist hierbei, dass dies wie etwa im Falle der Erweiterung der Kompetenzen Fritz Todts und später Albert Speers häufig in Zeiten des Krieges geschah ' was auf den Zusammenhang zwischen dem Streben nach Effizienz und Vernichtungspolitik verweist. Das 'Besondere' an den Sondergewalten war hierbei teilweise relativ, da die NS-Elite in mehr als einem Fall an institutionelle Traditionen anknüpfen konnte, die bis in die Kaiserzeit zurückreichten.
Nun wäre es sicher verfehlt, in Absetzung von der Interpretation der zusätzlichen Instanzen als Signal der Machtauflösung deren Einrichtung jetzt als eine im Sinne der Machthaber durchgängige Erfolgsgeschichte zu erzählen. Die Frage nach der Wirkungsbilanz ist angesichts der Folgefrage, nach welchen Maßstäben diese zu bemessen wäre, schwierig zu beantworten, und die versammelten Beiträge machen deutlich, dass ein Teil der beabsichtigten Maßnahmen im Kompetenzgerangel zwischen den verschiedenen Machtzentren versandete. Handlungsleitend war jedoch in der Regel das Bestreben, sich artikulierende Widerstände in das System einzubinden, um auf diesem Weg die Herrschaft zu stabiliseren. Ein Beispiel hierfür ist die Ende 1942 erfolgte Einrichtung eines interministeriellen Ausschusses zum Luftschutz, dem Joseph Goebbels vorstand und der unter anderem als Antwort auf die lauter werdenden Klagen der von alliierten Bombenangriffen betroffenen Kommunen gedacht war. In diesem Sinne erscheint die Maßnahmenpolitik des NS-Staates weniger als unkoordiniert, sondern vielmehr als erschreckend modern und flexibel. Eine Modernität, die einherging mit Vernichtung und völkischen Sozialutilitarismus, wie gleichfalls die Person Goebbels' verdeutlicht, der sich in seiner neuen Funktion nachdrücklich dafür einsetzte, dass 'jüdische Mischlinge' zu den lebensgefährlichen Aufräumarbeiten nach Luftangriffen herangezogen und in den besetzten Gebieten geraubter jüdischer Besitz an 'deutsche' Bombengeschädigte im Altreich verteilt wurden.
Diese Zusammenhänge thematisiert zu haben, ist das große Verdienst des Bandes, an dessen Gestaltung einzig der unglücklich gewählte Obertitel 'Hitlers Kommissare' zu bemäkeln bleibt. Eine solche Verengung auf die Person des 'Reichsführers' erinnert nicht nur spontan an die wenig ruhmreichen Produktionen des Historien-TV Guido Knopps, sondern steht auch in offensichtlichem Widerspruch zur Argumentation des Bandes und der Reihe selbst. Aber wichtiger als die Verpackung ist der Inhalt, und hier bleibt zu wünschen, dass dieser aufgegriffen und weiter diskutiert werden wird.